Samstagmorgen, 10 Uhr. Von der Tramstation Pankow Kirche sind es nur wenige Minuten zu Fuß bis zum Veranstaltungsort DOCK 11 Eden, einem Café und Body Workspace in Pankow im Norden Berlins. Seit dem vergangenen Jahr gehen auch wir hier ein und aus, wenn das Agape Zoe Festival uns lockt, zwei Tage lang auf innerliche Exkursion zu gehen. Reisen, das machen wir nicht nur, indem wir uns von Ort zu Ort bewegen und die Welt auf uns wirken lassen, nein auf reisen gehen wir auch mit und in uns. Transformation, Weiterentwicklung, Wachstum, wie auch immer wir es nennen wollen, es verändert, nährt, lässt uns erstarken und bringt uns unseren eigenen Wünschen und Bedürfnissen, Gefühlswelten und Möglichkeiten näher.
Dafür mag ich dieses so andere Berlin Festival Agape Zoe. Dafür, dass es mir zeigt, was es alles außerhalb meines eigenen kleinen Kosmos gibt, wie reichhaltig das Kurs- und Yogangebot, die Tanzworkshops, Gesänge, Meditationsmöglichkeiten, Selbsterfahrungsworkshops, Achtsamkeitsübungen, Atemerfahrungen und Healingperspektiven in Berlin, Europa und rund um die Welt sind. Die Vorfreude steigt in mir auf. Ich bin neugierig, möchte erleben, spüren und mich von diesem bunten, intensiven und so wohltuenden Miteinander mitreißen lassen. Auch heute wieder, an diesem Samstag, stehe ich pünktlich mit meiner großen Tasche und meiner Yogamatte beladen vor den Toren des Edens und bin gespannt, wohin mich dieser Weg führen wird. Das letzte Abenteuer ist mir noch gut in Erinnerung.
Es ist mein drittes dieser insgesamt 9 Festivals, an dem ich teilnehme. Schon nach der Begrüßung und den ersten Minuten wird mir klar, wie gut mir die Gesellschaft dieser aufgeschlossenen Geister tut, die mich umgeben. Überall wird gelächelt, steht den Menschen die Freude und Spannung in die Gesichter geschrieben.
Ich lausche dem Vortrag und der Begrüßung des Teams, höre mir an, wer an diesem Wochenende was anbieten wird und durchstöbere gleichzeitig den Ablaufplan. Neben mir sitzt Anni. Sie ist zum ersten Mal dabei und sieht aus wie ein spirituelles Kind, das man ins Schlaraffenland geführt hat. Ich kann förmlich hören, wie es in ihrem Kopf rattert und sie überlegt, wie sie ihren Plan für ihr Wochenende zusammen stellen soll.
Ich selbst schließe die Augen. Ich plane so viel, ich organisiere die ganze Woche. Aber an den kommenden zwei Tagen, lasse ich mich treiben. Hier darf ich das. Frei nach Gefühl gehe ich mal mit, lasse mich abwerben, folge meiner inneren Stimme und freue mich darüber wie klar sie spricht, wenn ich ihr den Raum gebe, den sie zur Entfaltung braucht.
Agape bedeutet Liebe. Zoe das Leben. Hier geht es also um die Liebe zum Leben, um gelebte Liebe, um positive Momente und Stunden, nicht fernab der eigenen Wohnung und des Arbeitsplatzes, sondern ganz nah dran am eigenen ich. Vielleicht gelebte Erreichbarkeit für sich selbst.
Viele Menschen versuchen, sich selbst auf langen Reisen zu finden – fernab der Zivilisation, mit schweren Rucksäcken auf den Rücken. Das ist cool und bestimmt eine gute Möglichkeit sich selbst neu kennenzulernen, aber in unseren Alltag lassen sich solche Pläne nicht integrieren. Agape Zoe schon. Zwei Tage. Regelmäßig gelebt, im Kreis einer aufgeschlossenen Berliner Community. Wir, die gemeinsam, miteinander versuchen, der eigenen Sinnhaftigkeit, der in uns selbst wohnenden Schöpferkraft und Stärke näher zu kommen.
Ob das klappt? Mal mehr mal weniger. Aber Spaß hatte ich hier bisher immer. Und ich hab‘ so spannende Menschen getroffen. Von Schamanen, über Lichtatmer, Experten des Human Design, Spezialisten für Aramäische Gesänge, Yogis, die all meine Herzensenergie zum Strahlen brachten und Mädels die Tarotkarten legen. Man muss nicht alles glauben oder in sich verankern, aber mit aufgeschlossenen Blicken, lässt sich hier viel erfahren.
Es steht den Besuchern offen, ob sie sich ein Ticket für das ganze Wochenende kaufen, oder eine Tageskarte. Überhaupt entscheidet jeder selbst, was probiert wird und wie abenteuerlustig es werden darf. Das Agape Zoe ist viel mehr eine Veranstaltung mit Festivalcharakter als ein klassisches Retreat, denn es findet seinen Platz in unserer Welt, in unserem Alltag, in unserer Stadt. Es verleitet nicht zum Flüchten, sondern zur Exkursion, zum Forschen und Finden.
Immer wieder gibt es die Möglichkeit sich auf sich selbst zu besinnen, in sich zu horchen, doch ebenso häufig findet ein Miteinander statt, man tritt in Kontakt und tauscht sich aus. Ob mit Freunden, Partnern, Familie oder Fremden spielt dabei keine Rolle. Jeder ist willkommen.
Im Sommer wird im Innenhof auf der Wiese gepicknickt, im Winter tummeln sich die Festivalbesucher zur Mittagspause vorne im Café und schlemmen heiße Suppe. Meist gibt es Kaffee und tolle Kuchen. Hier treffen sich alle. Die Stimmung auf dem gesamten Gelände ist elektrisierend positiv, ein bisschen verträumt und mystisch, denn neue Erfahrungen werden gemacht und wollen verarbeitet werden.
Ich verbringe dieses Wochenende nicht nur mit mir, sondern mit Anni und Franzi. Die Frauen vom Team Freiseindesign sind zusammen hier und probieren aus, hören hinein, lassen los und fallen einander in die Arme. Auch Tränen fließen. Schultern zum Anlehnen haben wir ebenso dabei wir Taschentücher, Tee und eine warme Kuscheldecke. Wir sind vorbereitet und glücklich, diese intimen und freudigen Momente zu gemeinsamen Erinnerungen werden zu lassen. 3 Ich werden zum Wir und wieder zum Ich.
Deshalb möchten wir euch auch ganz individuell und ehrlich von unseren ganz persönlichen Momenten des letzten Festivals berichten, die uns geprägt und sich als Erinnerungen eingenistet haben.
Freedi: „Wer bin ich?“ – Ein Workshop fürs Ich
Die Frage „Wer bin ich?“ habe ich mir bis dato nicht gestellt. Ich hinterfrage stets die Sinnhaftigkeit und Ursprünglichkeit meines Tuns, möchte Stück für Stück zu mir selbst finden und habe doch nie das Bedürfnis gehabt mit mir diesbezüglich in eine innere Diskussion zu gehen. Warum es mich in den Workshop, begleitet von Klangschalenmusik zog, kann ich also nur mit einem Gefühl, einer Lebenslust und dem Mut, mehr über mich selbst zu erfahren, begründen. Und es ist das Beste, was mir passieren konnte. Getragen von den tief reichenden Klängen verschiedenster Klangschalen erklärte ich mir gegenüber sitzenden, fremden Menschen wer ich bin, was mich ausmacht, was mich beschäftigt, was mich berührt, was mich verletzt, was mich freut und was mich meiner Meinung nach, trotz und gerade wegen der Dinge die da harren, zu der Person werden lässt, die jeden Tag mit einem Lächeln begrüßt.
Zu zweit sitzen wir uns gegenüber. Einer redet 5 Minuten, der andere schweigt. Es wird gewechselt. Monologe. Innerlich und äußerlich. Danach folgt ein anderer Partner. Das Spiel bleibt das gleiche. Immer wieder beantworten wir die Frage: Wer bin ich. Immer wieder finden sich neue, wunderschöne Antworten, die tiefer führen, hinein in eine innere Welt, zu der wir im Alltäglichen nur selten Zugang haben.
Zwischen Tönen und Worten bin ich glücklich ich selbst zu sein. Glücklich, mich mit meinen 33 Jahren als Teil eines Ganzen, als natürlich und schön zu sehen, mit der Kraft des Gebens und Schaffens und einem Herzen voller Liebe. Mit einem Ich, voller Licht und Schatten.
Franzi: Versuch doch mal dich aus dem eigenen Starrsinn freizustrampeln
Ich entschied mich das Wochenende mit dem Workshop „Orgasmic Silence“ – Tantra & Meditation bei Michael Kreuzweiser zu beginnen, da mir die Idee gefiel mittels Meditation ins Festival zu starten. Zudem finde ich Tantra super spannend und wollte erfahren, was es mit der orgasmischen Stille wohl auf sich haben mag.
Der Kurs verlief wie folgt: In mehreren Variationen wandelte die Gruppe, die aus etwa 30 Leuten bestand, durch den Kursraum, mal mit geschlossenen Augen, sich aus Versehen gegenseitig dabei anstupsend, dann bewusst wahrnehmend, indem man Blickkontakt mit den an einem vorbei wandelnden Menschen zuließ, später mit einer Umarmung, sofern gewünscht. Nähe wurde behutsam und allmählich aufgebaut, Schlüssel hierzu waren vor allem die Augen. Mehrere Male suchte man sich ein Gegenüber und ließ, wenn möglich, eine Metaebene zu, Gefühle kommen, das Fremde ein wenig weichen und mitunter den Emotionen freien Lauf.
Ich bin ein Fan von Eye-Contact-Erfahrungen, aber wer von euch das schon mal gemacht hat, der weiß auch, wie kräftezehrend es sein kann und so freute ich mich nach der ersten Stunde auf die anschließende Meditation.
Diese war aber eher das Gegenteil von in Ruhe und Stille zu sich kommen: Als aktive Gruppenmeditation, stand man sich zunächst gegenüber und „fickte“ zu lauter elektronischer Musik kraftvoll „die Luft“, indem man sein Becken drei Minuten lang mit intensivem Stöhnen wieder und wieder nach vorne gen Gegenüber stieß. Anschließend ließ man die Hüfte kreisen, wackeln und schüttelte sich für wiederum drei Minuten aus. In einem dritten Schritt sprang die Gruppe drei Minuten lang in die Höhe.
Man sollte kraftvoll vorgehen, energetisch sein, man sollte alles geben und irgendwie haben wir das, glaube ich, auch alle getan, denn wer möchte schon als Einziger stehen, wenn 29 andere Menschen um einen herum ihre Körper aus dem eigenen Starrsinn freistrampeln?!
Jede der drei Übungen wurde drei Mal wiederholt. Nach einer halben Stunde tanzte unser Schweiß im Sonnenlicht der Fenster, wir lagen auf dem Boden, irgendwie befreit, auf jeden Fall komplett außer Puste, irgendwie verstört und ich weiß noch, dass ich dachte, dass ich diese Erfahrung wohl niemals vergessen werde.
Unter welche Kategorie ich sie einordnen soll, da bin ich mir bis heute nicht ganz sicher. Dass es im Leben nicht immer so läuft, wie man sich das vorstellt ist bekannt und bei „Orgasmic Silence“ erfuhr ich dies einmal mehr. Im Endeffekt geht es glaube ich darum, was man aus den Situationen macht, dass man offen bleibt und damit flexibel, um sich am Ende des Tages über die neuen Erfahrungen und Eindrücke freuen zu können, die man gemacht hat.
Jeder Workshop auf dem Agape Zoe ist eine kleine Überraschung, wie das Leben selber auch. Mal taugen einem die Kursinhalte wahnsinnig gut und passen zur Tagesform, dann wieder weniger und immer sind da Momente, Begegnungen und Stunden, die mich weiter bringen, herausfordern, füttern und erfüllen.
Anni – Trau dich dein Ding zu machen
Lichtatmung – so heißt der Kurs auf den ich mich auf dem Agape Zoe Festival besonders freue. Aufgeregt warte ich mit Freedi und Franzi vor dem Raum darauf, dass es endlich losgeht. Eine richtige Team-Aktion! Irgendwo zwischen gespannt und angespannt bemerke ich, dass dieser Kurs beliebt zu sein scheint: Immer mehr Leute strömen mit uns in den großen Raum, durch dessen riesige Fenster die Sonne hereinscheint, es wird richtig voll.
“Gleich wird alles erlaubt sein.” erklärt uns Klaus, der die Lichtatmung anleitet. Die Aufgabenstellung ist denkbar simpel: Lege dich auf den Rücken und Atme tief, halte dabei deine Augen geschlossen. Dein Atemrhythmus wird dir von Musik und gerufenen Anweisungen empfohlen. Empfohlen? Das schreibe ich hier ganz bewusst, denn nicht jedem liegt es, heftig und wild zu atmen – und da ich mich an diesem Tag eher nach viel Ruhe fühle, entscheide ich für mich die Atmung langsamer anzugehen, was sich genau richtig anfühlt. Keine Anweisung der Welt kann dir nehmen, dass du selbst entscheidest, was du mit deinem Körper tun willst.
Durch die reine Konzentration auf den eigene Atem entsteht eine angenehme innere Ruhe, viele Gedanken werden ausgeblendet und durch das Schließen der Augen fühle ich mich auf eine positive Art isoliert, auch wenn mir bewusst bleibt, dass ich nicht allein im Raum bin.
Laute Musik mit wechselnden Rhythmen erfüllt den Raum. Klaus und sein Team lassen Geräusche im Raum erklingen. Sie schreien und rufen, nutzen Fächer um Wind zu erzeugen. Ab und an rieche ich angezündetes Räucherwerk – die Sinne sind geschärft. Nach einiger Zeit im Liegen spüre ich meinen Rücken nicht mehr. Da ich dies von der Meditation gewohnt bin, freue ich mich über den Moment in dem ich zwischen zwei Atemzügen merke, dass mein Körper nicht mehr fühlen kann, ob meine Hände nach oben oder unten gedreht sind. Die Muskeln entspannen sich, ich atme konzentriert, aber locker. Um mich herum ist es laut, bebt. Einige weinen, schreien und scheinen ganz im Moment aufzugehen. Doch ich bin still, weil mir das gut tut. In meinem Leben sind schon viele Dinge passiert, nicht alle davon erfreulich und ich habe gelernt damit umzugehen. Solch ein Erlebnis wie die Lichtatmung ist ein Moment der Ruhe nur für mich, mehr brauche ich nicht.
Als ich die Augen öffne kann ich sehen, dass viele in einem Zustand zwischen gelöst und aufgelöst zu schweben scheinen. Bei einigen fließen Tränen, bei anderen breitet sich ein seeliges Lächeln aus und ich bin ganz ruhig, schmerzfrei und zufrieden. Die Lichtatmung ist für jeden genau das, was er gerade braucht und ich denke, das macht sie besonders.
Freedi: Eine Sinfonie des Erlebens
Mein Wochenende soll so besonders ausklingen, wie es für mich begonnen hat. Ich tausche mich mit Franzi und Anni über ihre Erfahrungen aus. 3 Frauen, 3 Charaktere, 3 unterschiedliche Wahrnehmungen und ganz verschiedenen Lebensphasen. 3 Freundinnen.
Ich nehme mich an diesem Sonntag als sehr ausgeglichen, ruhig und glücklich wahr. Ich bin bei mir, inspiriert, glücklich. Ich strahle von innen nach außen. Die ganze Atmosphäre des Wochenendes hat mir gut getan. ich fühle mich aufgehoben, getragen. Allerdings, habe ich auch nicht die Luft gefickt wie Franzi und eine ähnliche Verbundenheit mir mir selbst bei der Lichtatmung erlebt, wie Anni.
Ich bin happy. Vom inneren Glück und der Öffnung mir selbst gegenüber fühle ich mich fast wie leicht beschwipst und suche mir im großen Saal einen Platz. Meinen Platz. Der Raum ist erfüllt von Menschen und Instrumenten. Überall haben sich Musiker positioniert, ihre Instrumente in den Händen haltend. Das junge Berliner Sinfonieorchester möchte durch eine musikalisch inspirierte Meditation leiten und ich bin bereit, mich davon tragen zu lassen. Das ist kein Konzert, das wird eine Sinfonie des Erlebens. Ich erahne mich zwischen den Cellos und lasse mich nieder, mache es mir gemütlich und schließe die Augen. In eine Decke gekuschelt lausche ich dem Zupfen der Saiten, dem Schwingen der Bögen und dem Vibrieren der Holzkörper. Nie habe ich ein Konzert so erleben dürfen und ich bin dankbar. Wieso steif sitzen um zu lauschen? Hier wird getanzt, geruht, gesessen, sich in den Armen gelegen und sich in die Äugelein gesehen. Es ist Sonntag Abend und ich könnte nicht schöner aus diesem Wochenende in eine neue Woche hinüber duseln, der ich voller Freude, Kraft und mit einer großen Portion Gelassenheit entgegen blicke.
Wenn euch auch mal der Sinn nach dem Experimentellen, dem Healing, neuen Yogaformen und verschiedensten Workshops steht, dann probiert es doch einfach selbst mal aus.
Das nächste Agape Zoe Festival findet am 20. und 21. Mai 2017 statt. Und wer noch nach einem Urlaub der anderen Art sucht, kann sich zudem für das Agape Zoe Sommer Festival auf Corfu anmelden. Dieses findet zwischen dem 09. und dem 21. Juli 2017 statt und bietet neben all der Spiritualität und Selbsterkenntnis vor allen Dingen eins: Urlaub!