Im Rahmen einer Einladung der Kyrö Destillery durfte ich einen Hauch von Finnland kennen lernen. In der dunklen Jahreszeit eher kalt und düster, ist Finnland im Sommer das Land der grossen Seen, grünen Wälder und ewig traumschönen Lichtstunden – natürlich so lange es nicht regnet, aber selbst im Regen ist es ein magischer Anblick.
Hei Suomi – Hallo Finnland
Wie ein zerklüftetes Korallenriff, dem der Meeresspiegel entsank, liegt es da. Unter mir. Finnland. Das Blau des Meeres zieht sich in sanften Linien an Land. Fast wie zwei Wasserfarben in der Mischpalette sieht es aus, wo Finnland aufs Meer trifft.
Finnlandgefühle
Es ist wie Inselwolkenraten,
als wär ich alte Luftpiratin,
Von oben her, voll Fantasie,
auf suchender Philosophie.
Hier gehen still die Massen über,
Hier küsst das Meer mild auf das Land,
Als gäb‘ es hier nur sanfte Lieder,
Zu schaukeln den, der Zeit gebracht‘.
Es ist als würd‘ ich gar nichts wiegen,
Nur Stumm herum hier schwebend fein,
Magisch, das Über-Finnland-Fliegen
Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.
Am Flughafen angekommen werden wir freundlich von Pauliina Marjanen empfangen. Sie arbeitet bei Kyrö und wird uns sie nächsten 3 Tage ihr Land und natürlich ihren liebsten Roggen-Gin & Whiskey zeigen, über den ihr bald mehr von mir lesen könnt. Ich habe natürlich fleißig schnabuliert, fotografiert und getippselt, um euch meine Eindrücke von den Erlebnissen rund um die Destillerie mitzubringen.
Ein Spaziergang durch Helsinki
Natürlich kann man an einem Abend nicht alle Seiten der finnischen Hauptstadt sehen. Meiner Meinung nach sollte man so etwas auch gar nicht versuchen, denn das artet nur in Stress aus.
Für eine nordische Schnuppernase voll Helsinki-Luft hat es mir aber definitiv gereicht und ich war verliebt – besonders in den scheinbar endlosen Sonnenuntergang, der alles in orange-rosanes Schimmerlicht tauchte.
In Helsinki liefen wir durch den Esplanadi Park, lauschten Gitarrenmusik und lernten von Pauliina, dass das Trinken in der Öffentlichkeit in Helsinki offiziell verboten ist. Wie ihr das umgehen könnt? Indem ihr etwas zu essen dabei habt und das ganze als Picknick auslegt – dabei ist Alkohol nämlich erlaubt. Nun dürft ihr zwei mal raten, warum die Helsinkier stets mindestens etwas Brot zur Flasche dabei haben… Das geht bei einer Kontrolle nämlich schon als Picknick durch. 😉
Wir besuchten den Hafen und schauten den grünen Straßenbahnen nach. Ich winkte den fliegenden Möwen zu und fühlte mich fast ein bisschen wie in meiner Heimatstadt Rostock. Wasser, Sonnenuntergang und Seevögel. Eine Nordlichtromantik zu der mir eigentlich nur der Strand fehlte.
Besonders beeindruckt hat mich der Dom der Stadt, zu dem wir etliche Treppen hinauf stiegen. Von 1830-1852 erbaut, sollte der Dom zunächst dem russischen Zaren Nikolaus I. zur Ehre gereichen. Seit der finnischen Unabhängigkeit 1917 trägt die Kirche den klangvollen Namen “Suurkirkko”.
Ich war so fasziniert – auch vom Inneren – dass ich vor Schreck zuerst völlig mein eigenes Prinzip vergaß, in Kirchen, in denen gerade jemand Ruhe sucht, keine Fotos aufzunehmen. Mein eigener lauter Knips hat mich erschreckt und ich steckte schnell die Kamera weg. Das eine Bild jedoch blieb und deswegen findet ihr in der Collage sogar ein Bild vom Kronleuchter des Doms von Helsinki.
Ganz besonders gefallen hat mir im Dom die Orgel – schaut sie euch unbedingt an! Und natürlich die Aussicht. Nehmt euch die Zeit, ein wenig auf der Treppe zu verweilen und den Blick über den ewigen Sonnenuntergang des finnischen Sommers schweifen zu lassen.
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Auf der Karte sehr ihr die einzelnen Punkte meiner kleinen Stadtentdeckungsreise, ihr könnt einfach anklicken, oder reinzoomen um zu schauen, was sich hinter den Symbolen verbirgt. 🙂
Weil ich mit meinen wenigen Tagen vor Ort natürlich nicht annähernd so viel Zeit in dem wunderschönen Land verbracht habe, wie ihr das bei einem Urlaub hoffentlich tun könnt, möchte ich mich hier auf ein paar Finnland-Fakten beschränken, die ich ganz persönlich spannend fand. Ich sage an dieser Stelle schonmal ein großes Danke an Pauliina, die mit Engelsgeduld meine neugierigen Fragen beantwortete.
Beobachtungen einer Kurzbesucherin & Tipps von Einheimischen aus Finnland
- in Finnland darf Alkohol offiziell nicht beworben werden; Bars und Restaurants werdet ihr also nicht an den klassischen Bier / Spirituosen Leuchtschildern oder Aufstellern erkennen, die es hierzulande doch recht häufig im Gastrobereich gibt
- Sonntags haben nur wenige Restaurants und Bars geöffnet, das hängt damit zusammen, dass an diesen Tagen doppelter Lohn gezahlt wird und viele Restaurants sich das nicht leisten können
- aus dem oben genannten Grund gibt es meist spezielle Sonntags-Menüs, die günstigere Zutaten beinhalten
- Trinkgeld ist in Finnland nicht zwangsweise erforderlich, dennoch ist es sehr höflich, welches zu geben
- im Taxi Trinkgeld zu geben ist nicht üblich
- es gibt fast überall mindestens ein offenes WLAN oder man kann irgendwo nach WLAN fragen – die Finnen sind echt gut vernetzt und das Internet ist super schnell und reicht auch an öffentlichen Plätzen problemlos für Videoanrufe & Co.
- man bekommt in Finnland nahezu überall laktosefreies Essen und auch laktosefreie Süßspeisen wie Eis (sogar in ländlichen Gegenden), da viele Finnen laktoseintolerant sind
- in Helsinki gibt es auch fast überall veganes Essen als Option
- Rest-Essen aus dem Restaurant mitzunehmen gilt als unhöflich, die Finnen sind jedoch zumeist sehr gastfreundlich und bemüht und kümmern sich darum, jedem Sonderwunsch gerecht zu werden
- etwa eine halbe Stunde bevor ein Lokal schließt, wird einfach ein Großteil des Lichts ausgemacht, ab diesem Zeitpunkt solltet ihr zahlen und zeitnah gehen
- fast alle Toiletten in öffentlichen Bereichen (sogar im Zug) haben Poduschen angebaut
- Sauna gibt es nahezu überall, die meisten öffentlichen Saunen können / müssen in Badekleidung besucht werden (die privaten nicht)
- in Finnland ist die Sauna ein Ort des sozialen Miteinanders, verbissene deutsche Schwitzruhe mit heftigem Schnaufen und giftige Seitenblicke auf fröhlich laute Nachbarn, die evtl. sogar einen Drink dabei haben, sind hier fehl am Platz
- in den Textil-Saunen muss man nicht wie bei uns auf einem Handtuch sitzen – die Handtücher werden normalerweise draußen angehängt, in der FKK-Sauna hingegen legt man, wie bei uns, ein Handtuch unter
- das traditionelle Schlagen mit Birkenzweigen klingt heftig und schaut auf irgendwie schmerzhaft aus, ist es tatsächlich aber überhaupt nicht, dafür riecht es angenehm und macht ganz weiche Haut
- Birkenzweige kann man tiefgefroren in fast jedem Supermarkt kaufen – vor der Nutzung muss man sie jedoch etwa einen Tag in Wasser einlegen
Eine Helsinki-Expertin bin ich also nicht, ja nicht mal eine Finnland-Kennerin – aber eine Nachfragerin und Eindrucksammlerin, das ganz sicher. Ich hoffe, ich werde wiederkehren um mehr über diese Stadt und das finnische Land zu lernen.
Mit dem Zug Nach Isokyrö
Wer nach Isokyrö möchte, wo die Kyrö Destillerie besichtigt werden kann, den verschlägt es von Finnland aus mit dem Zug Richtung Vaasa erst einmal nach Tervajoki. Es ist nämlich so, dass der Zug an der Haltestelle in Isokyrö einfach nicht mehr hält – zu wenig wurde diese in der Vergangenheit genutzt. Von Tervajoki aus kommt man dann mit dem Taxi in einer Viertelstunde nach Isokyrö.
Die Zugfahrt von Helsinki nach Tervajoki dauert etwa 3,5 Stunden. Zeit, die man am besten am Fenster verbringt, denn hier rauschen grüne Wälder, grosse Felder, kleine Hütten, grasende Pferde, Seerosen bedeckte Seen und viele kleinere Städte vorbei.
Auch ein Schloss am See passiert man innerhalb der ersten Fahrtstunde von Helsinki Richtung Vaasa. Damit ihr es gut erspähen könnt, schaut ihr links aus dem Fenster und setzt euch im Zug nach oben, sofern es ein Doppeldecker ist.
Ganz besonders aufgefallen ist mir Särkänniemi hier lohnt es sich rechts aus dem Fenster zu sehen. Direkt am Wasser erblickt ihr einen Vergnügungspark, der mich in seiner Gestaltung unweigerlich an das PC-Spiel Roller Coaster Tycoon erinnnert, das ich in den 90ern geliebt habe! Ein ganz besonderer Moment, der plötzlich diese Erinnerung hervorkramte, die ich längst vergessen hatte.
Im Zug selbst habt ihr eine hervorragende WLAN-Verbindung und Sitze, die sich in eine Entspannungsposition zurückstellen lassen. Schlafen ist übrigens erlaubt. Viele der Finnen legen sich einfach auf zwei Sitzen quer, und halten ein Nickerchen, wenn sie die Möglichkeit dazu haben.
Es gibt Steckdosen in der Bahn, teilweise 4er Sitzgruppen mit kleinen Tischen und Ansagen auf Englisch, so dass man auch als Nicht-Finne versteht, wo man raus muss.
Und noch ein Hinweis für alle Zero-Waste Fans, die am liebsten sogar ohne Toiletten-Papier auskommen wollen: Die Zugtoilette besitzt im Zug, wie auch in den meisten Finnischen Hotels und vielen neuen Wohngebäuden eine kleine Duschvorrichtung. Also könntet ihr euch nach dem Geschäft auch einfach mit Wasser abduschen, wenn ihr wollt.
Ich persönlich würde euch empfehlen den Laptop zuzuklappen und die Augen ans Fenster zu hängen um eine gehörige Menge Finnland-Feeling aufzusaugen.
Isokyrö das Destillerie-Städtchen mit den 4000 Einwohnern
Wer in Isokyrö zu Gast ist, der sollte sich Zeit nehmen mehr über die Geschichte des 4000-Seelen Dorfes zu erfahren. Ich will nicht zu viel vorweg nehmen, doch ich kann euch verraten, dass der kleine Ort in der Nähe von Vaasa einst Schlachtfeld eines grausamen Kriegsszenarios zwischen Finnland und Russland wurde.
In weniger als 3 Stunden fanden am 19. Februar 1714 hier tausende von Menschen ihr letztes Grab und nur jene, die bei Zeiten in den Wald geflohen waren, überlebten den russischen Angriff. Bei Restaurationsarbeiten an der Brücke über den Fluss Kyrönjoki, die übrigens eine der ersten Hängebrücken Finnlands ist, fand man noch vor wenigen Jahren diverse Kriegsüberreste, wie zum Beispiel Kugeln im Bereich des Ufers.
Doch nicht nur Kriegsgeschichte prägt das kleine Städtchen, sondern auch so manche lustige Anekdote, so lohnt sich beispielsweise ein Abstecher in die Kirche von Isokyrö. Bis heute ist sie in Benutzung und fällt vor allem durch eine ziemlich absurde Besonderheit auf: Hier gibt es nicht nur ein gemaltes Bildnis von Gott, sondern sogar eine kleine Statue.
Nanu – was soll denn das wohl? Fragt ihr euch jetzt vielleicht. Doch wie immer hat der Finne an sich hier eine völlig logische Erklärung: Einst, als die Bürger Finnlands in diese Kirche strömten verstanden sie von der damals noch lateinischen Predigt kein einziges Wort. Auch die spätere Sprachwandlung zum Schwedischen war nicht unbedingt hilfreich, um gläubige Christen heranzuziehen. Da kam der Großfürst von Kyrö, Propst Jaakko Geet, im Jahre 1560 auf die einfache wie wirkungsvolle Idee, die Inhalte der Bibel einfach wie einen gigantischen Comic an die Wand zu zeichnen – und die Feiertage gleich mit.
„Oh und hier unter der Kirche sind auch viele Menschen begraben.“ Das erfahren wir während der Führung und machen uns erstmal keine weiteren Gedanken – doch plötzlich tritt Miko kräftig auf eine Diele im Boden, so dass sie an der anderen Seite hochschnellt und zeigt uns die Knochen, die direkt unter unseren Füßen liegen. So macht man das hier eben, in Finnland. Keine halben Sachen – und das was man gesehen hat, prägt sich besser ein, als reines Gerede.
Als ich die Kirche wieder verlasse, bin ich in Gedanken. Einige meiner Kollegen haben sich vor den Knochen, die Miko uns zeigte erschrocken, fanden sie gruselig und wollten davon nichts wissen. Mir geht das anders. Kirchen mit ihren vielen verschiedenen Geschichten haben immer eine magische Wirkung auf mich. Auch wenn ich selbst nicht an einen christlichen Gotte glaube, so sind Kirchen für mich Stätten von Ruhe, Respekt und historischem Bewusstsein. Ich bin froh, dass Miko uns diese Einblicke gegeben hat.
Stand-Up Paddeln mit Ville Kasari – ein atemberaubender Moment in Finnland
Was ich euch absolut ans Herz legen kann, ist den finnischen Sommer zum Stand-Up Paddeln zu nutzen. Es locken zahlreiche Flüsse und Seen und wer Lust auf einen richtigen Kurs hat, kann in Vaasa oder Helsinki direkt mit dem lieben Ville von Asennensurf loslegen, den ich während der Reise kennen gelernt habe.
Wichtig für euch: Das Wasser kann in Finnland sehr unterschiedliche Temperaturen haben und auch das Wetter schlägt schnell mal um. Schließt euch – gerade wenn ihr unerfahren seid – unbedingt einer Gruppe an und verschmäht auch nicht die angebotene Schwimmweste. Sicherheit geht einfach vor!
Wer noch unsicher ist, oder einfach etwas vom Tag entspannen will, der kann auf den Knien starten, so wie ich es auf den Bildern mache. Auf den Knien seid ihr erstmal sicher mit dem Brett verbunden und fallt nicht sofort ins Wasser, wenn ihr mal mit der Finne des Brettes gegen einen Stein rammt.
Die Finnischen Gewässer sind nämlich gespickt mit kleinen und großen Felsen und nicht alle sieht man unter der Wasseroberfläche sofort. Wenn ihr euch auf diese Art mit dem Gewässer vertraut gemacht habt könnt ihr dann natürlich aufstehen und die schöne Aussicht genießen.
Nahezu jedes Haus am Wasser in Finnland hat einen eigenen Steg – bitte vergesst nicht, dass es sich hierbei um Privatgelände handelt. Ein kurzes Festhalten zum Sortieren der eigenen Kleidung oder für eine kurze Atempause ist schon okay – doch ein ausgedehntes Picknick würde ich nicht unbedingt auf einem Steg machen, der jemandem privat gehört, ohne vorher zu fragen.
Sobald der Abend anbricht, könnt ihr euch dann ganz typisch finnisch in die Sauna oder, falls vorhanden. einen Hot-Tub zurück ziehen. Ein Hot-Tub ist kein Whirlpool sondern ein Zuber aus Holz in dem ihr sitzt und euch schön durchwärmen lasst. Perfekt übrigens auch bei Regen und, wie ich von Freedis Lappland-Erfahrungen gehört habe, auch bei Schnee 😉
Entspannt und voll sonnenuntergangsfarbener Eindrücke bin ich aus diesem Land zurückgekehrt, das in nur wenigen Momenten ganz viel Ruhe in einem erzeugt. Es sind die ruhigen, bestimmten und dabei herzlichen Menschen, die malerischen Wolkenfarben und die ewige Weite. Ich bin gespannt auf mehr von dir, Finnland, denn ich komme ganz sicher zurück.
Ich danke den lieb gewonnenen Menschen der Kyrö Destillery für ihre Gastfreundschaft und ihren Hang zum Geschichten-Erzählen. In so kurzer Zeit habe ich mich auf einer Reise für Freiseindesign bisher erst an einem anderen Ort derart wohl gefühlt, nämlich in der Baruther Glashütte.
Die Isokyröer haben mich spüren lassen, dass ich als Freund eingeladen wurde und nicht nur da war, um zu schreiben. Ihr habt mir eure Stories erzählt, die Kirchentür geöffnet, die vorbeiziehenden Vögel für mich in eurer Sprache aufgezählt und mir die finnische Natur gezeigt. Ich sage danke und hoffe sehr, euch noch einmal wieder zu sehen – und nächstes Mal gehe ich dann auch endlich mit euch in den Wald!