In diesem Beitrag versuche ich in Worte zu fassen, was mich bezogen auf die Modebranche seit etwa einem Jahr beschäftigt. Im Nachgang meiner Gedanken findet ihr ein Interview mit H&M, das ich im Oktober 2017 geführt habe.
„Ich bin gut und du bist böse.“ – Über das Schwarzweißdenken in der Modebranche
In der Modewelt herrscht aktuell ein Schwarzweißdenken, das mir nicht gefällt. Ich selbst setze mich dafür ein, Mode bekannter zu machen, die unter fairen Bedingungen und/ oder nachhaltig produziert wurde. Das tue ich, weil ich auf Freiseindesign eine Stimme habe, die viele Menschen hören und mich entscheiden kann, diese Stimme für etwas einzusetzen, das ich als richtig erachte. Auch Aufklärung finde ich wichtig. Nur wo es an Schweigen mangelt, kann gesprochen werden, nur wo Licht ist kann man auch sehen, was wirklich im Dunklen lagerte.
Womit ich hingegen überhaupt nicht überein stimme, ist der zunehmend aggressive und vor allem sehr wenig differenzierte Ton, in dem in den sozialen Medien gegen die Global Player vorgegangen wird. Bestrebungen, Fairness und Nachhaltigkeit aktiv zu unterstützen finde ich hervorragend. Ebenso ist es meiner Ansicht nach legitim und wichtig den Status Quo großer Konzerne zu hinterfragen und investigativ, als auch durch direkte Nachfrage, Probleme in der Herstellungskette und dem dazu gehörigen Netzwerk aufzudecken und anzuprangern sowie die notwendige Reaktion zur Abschaffung der Probleme zu fordern. Kampagnen wie „Who Made My Clothes“ von Fashionrevolution finde ich ein hervorragendes positiv-Beispiel dafür, wie man einen Dialog anregen kann, ohne Hass zu schüren.
Was ich allerdings nicht gut finde ist, allen Unternehmen, die sich von Beginn an als nachhaltig gebrandet haben – und damit oft auch zu einem strategisch günstigen Marketingzeitpunkt an den Start gingen – ungeprüft und in alle Ewigkeit einen Heiligenschein zu verleihen. So einfach ist es nicht.
Erstens ist es viel leichter, mit weniger Produkten und kleinerem Kundenkreis – ergo viel geringeren Mengen in der Produktion – nachhaltig zu sein. Zweitens muss auch hier langfristig eine Qualität vorliegen, die dem Preis des Produktes angemessen ist. Es ist genauso wenig nachhaltig, wenn ein Fair Fashion Produkt schon nach wenigen Wochen zum Wegewerffall mutiert, weil Sohlen abfallen oder Nähte sich auflösen. Wenn ich einen hohen Preis nur zahle, weil die Arbeitsbedingungen gut sind und ich die Menschen unterstützen will, das Produkt mir aber nichts bringt, weil es nicht bequem ist oder schnell kaputt geht, dann kann ich genauso gut auch spenden, statt zu kaufen.
Die Produkte bekommen ihren Selbstwert eben nicht allein dadurch, dass sie nachhaltig oder fair sind – sie müssen auch gut verarbeitet sein. Nicht alles, was grün glänzt, hält auch ewig.
Genauso wenig entspricht es meinem Empfinden nach der Wahrheit, dass ein normaler Träger seine günstigen Kleidungsstücke nur ein- bis dreimal trägt, weil sie dann weggeworfen werden. Ich besitze heute noch Sachen von New Yorker, H&M und Co. die ich vor weit mehr als zehn Jahren kaufte und sehr regelmäßig trage. Einige kaufte ich für wenige Euro.
Ja, natürlich mache ich das heute nicht mehr so. Mein Konsumverhalten hat sich geändert. Doch bis heute kann ich keinesfalls die These bestätigen, dass meine „Fast Fashion“ Kleidung ihrer Natur gemäß eine kurze Lebensdauer hätte. Mit schlechtem Trage- und Waschverhalten kann jeder Konsument seine Kleidungsstücke schnell kaputt machen, mit gutem hingegen, halten sie lange. Außerdem muss ich sagen, dass die Designs vieler (natürlich lange nicht aller!) Fair Fashion Label sich sehr auf weiten Schnitten ausruhen, wofür nicht zu viel technische Versiertheit im Design nötig ist, damit das ganze passt.
Viele Fair Fashion Unternehmen sind außerdem noch so klein, dass es schnell ein Äpfel-mit-Birnen-Vergleichen wird, wenn sie sich den Global Playern im Direktvergleich gegenüber stellen. Auch die Zahlen mit denen kritisiert wird, müssen aktuell gehalten werden, um glaubwürdig ihre Wirkung zu erzielen. Versteht mich nicht falsch – ich bin selbst gerne Teil der Fair Fashion Bewegung, setze mich bewusst ein. Doch ich mag es nicht, blindlings einer Masse nachzulaufen und ich bin auch persönlich der Ansicht, dass ohne einen offenen Dialog dringend nötige Veränderungen unnötig hinausgezögert werden.
Insgesamt wird mir in der Debatte um Mode zu viel verabsolutiert und zu wenig konstruktiv gearbeitet. Das allseits gewünschte Gut-und-Böse, das die eigene Weltsicht so vereinfacht, gibt es nicht wirklich. Weder färbt ein schwarzes Schaf die ganze Herde für immer dunkel, noch heiligt ein weißes alle, die auf derselben Wiese stehen.
Wer wirklich etwas ändern will, sollte meiner ganz persönlichen Ansicht nach seine Energie investieren um jenes, wofür man einstehen will, aktiv voran zu treiben. Wer lautstark aufzählen kann, was er nicht will, aber unfähig ist darauf hinzuarbeiten, was er stattdessen will und wie man das umsetzen kann, der verschenkt für mich sinnlos seinen Platz in dieser wichtigen Debatte, der eigentlich ein wirklich wichtiger Wunsch zu Grunde liegt: Menschen faire Arbeitsbedingungen und unserer Natur eine Pause von den Giften der Menschheit zu verschaffen.
Im Übrigen erlaube ich mir an dieser Stelle anzumerken, dass die gering Bezahlung von Angestellten oder Praktikanten in einer Firma mit durchaus noblen Zielen, von denen erwartet wird „alles für die gute Sache zu geben“, aber selbst bloß kein angemessenes Gehalt zu fordern, nicht im Ansatz der Fairness entspricht, die gern mit großen Tönen auf ausgerollter Flagge nach Außen getragen wird. Und ja – das kommt vor. Häufiger als man denkt.
Auch wichtige Spendengelder und Sachgüter für Hilfsbedürftige gehen nicht seltenen von eben jenen Großkonzernen ab, die an den Pranger gestellt werden. Nun kann man das als Greenwashing bezeichnen, wenn man möchte – doch auch am Ende dieser Spenden stehen Menschen, die darauf angewiesen sind. Spenden haben neben all dem humanitären Grundsinn gemeinhin steuerliche Gründe (ja, auch bei kleinen grünen Firmen). Es ist auch eine gute und wichtige Sache, dass man Steuern sparen kann, wenn man sein Geld einem gemeinnützigen Zweck übergibt. Wie wäre es, hier anzusetzen und zu schauen, ob sich eine gesetzlich für den Konzern sinnige Möglichkeit finden lässt, mehr in die eigenen Mitarbeiter und deren Arbeitsbedingungen zu investieren, ohne die eigenen Gewinnbestrebung zu sehr in die Bredouille zu bringen?
Denn letzten Endes geht es immer ums Geld. Ob das Unternehmen nun Armed Angels, H&M oder sonst wie heißt – niemand ist am Markt, weil er etwas zu verschenken hat und die Anteilseigner möchten überall ihre Gewinne maximieren. Einige Unternehmen schaffen diesen Spagat zwischen Gewinnerzielung und guter Unternehmensführung für alle Beteiligten besser als andere – und das unterstütze ich gern. Warum sollten also nicht alle voneinander lernen?
Ich bin der Ansicht, dass es weder klug noch nachhaltig ist, die Global Player als Feindbild der fairen Modewelt zu stilisieren. Wo kein Dialog ist, wird es schwarz und weiß bleiben. Türen gehen zu, statt sich zu öffnen. Ich möchte beide Seiten zu Wort kommen lassen und deswegen habe ich mich Ende letzten Jahres mit H&M getroffen.
Interview mit H&M
Für das Interview habe ich mich mit Laura Engels, der Unternehmenssprecherin von H&M persönlich getroffen um sie kennen zu lernen und ihr im Gespräch meine Fragen zu stellen. Danach habe ich ihr meine Fragen schriftlich vorgelegt. Was dabei herausgekommen ist, erfahrt ihr im Folgenden.
Das Interview wurde von mir nicht nachbearbeitet und ich werde es hier auch nicht auswerten. Es geht mir um ein zu Wort kommen lassen verschiedener Stimmen. Das habe ich hier auch schon mit Fair Fashion Brands getan. Das ganze möchte ich nicht werten und keine Erläuterungen im Nachgang dazu anbringen, weil ich denke, dass es ansonsten die Möglichkeit nimmt, sich selbst seine Meinung zu bilden. Meine persönliche Meinung rund um die Fashion-Debatte könnt ihr oben lesen, die Antworten von Laura auf meine Fragen finden ihr unten.
Ich möchte mich bei Laura herzlich für ihre offene Art bedanken und auch dafür, dass sie bereit war kritische Gedankengänge von meiner Seite beim persönlichen Treffen anzuhören, sich mit mir auszutauschen und meine Fragen schriftlich zu beantworten.
Wie alt ist das älteste H&M Kleidungsstück, das du in deinem Schrank hast und welche Geschichte hat es?
2004 habe ich bei unserer allerersten Designerkooperation, damals von Karl Lagerfeld für H&M, ein T-Shirt ergattert. Ich trage das gute Stück immer noch oft und gerne und rufe damit lustigerweise auch bei uns im Büro jedes Mal aufs Neue persönliche Erinnerungen wach.
Viele Konsumenten setzen den Preis der Ware und Lohn der Arbeiter, die diese Ware produzieren, in ein direktes Verhältnis. Teuer ist gut, günstig ist schlecht. Wie steht H&M dazu?
Für uns sind Qualität und Nachhaltigkeit keine Frage des Preises: Wir haben den Anspruch, immer inspirierende Mode mit unschlagbarem Mehrwert zu liefern. Dadurch unterscheiden sich die Preise unserer Mode aus nachhaltigeren Materialien nicht von unserem üblichen Preissegment. Viele Menschen glauben, dass bezahlbare Mode zwangsläufig mit schlechten Produktionsbedingungen und niedrigen Löhnen zusammenhängt. Dabei verrät der Preis eines Kleidungsstückes nicht wirklich viel darüber, wie es produziert wurde. Den besten Preis für unsere Mode können wir halten, weil wir mit eigenen Designern und nicht mit Zwischenhändlern arbeiten und in großen Volumina einkaufen. Außerdem arbeiten wir mit einer effizienten Logistik und steuern den Einkauf so, dass wir die richtigen Produkte in den richtigen Märkten produzieren lassen.
Ihr werdet in der Öffentlichkeit viel kritisiert. Begriffe wie Ausbeutung, fehlende Transparenz und Greenwashing werden mir von Google im Zusammenhang mit euch vorgeschlagen. Wie geht ihr damit um? Haben all diese kritischen Stimmen eurer Meinung nach Unrecht? Kannst du mir vielleicht Beispiele nennen, die bei euch etwas bewegt haben?
Nachhaltigkeit ist für uns kein Trend oder gar eine Marketingmaßnahme, sondern seit vielen Jahren ein fester Bestandteile unserer Arbeit, auf allen Ebenen unseres Unternehmens. Uns ist es wichtig, auch das Bewusstsein unserer Kunden für den Umgang mit Ressourcen zu stärken und mit ihnen gemeinsam an einer besseren Zukunft der Mode zu arbeiten. Hierzu gehört zum Beispiel, dass wir vor einigen Jahren als erstes Unternehmen unserer Größe unserer Lieferantenliste veröffentlicht haben. Mittlerweile sind hierauf auch second tier Supplier gelistet, das heißt nicht nur jene Lieferanten, die Produkte für H&M fertigen, sondern auch jene Betriebe, die unseren Lieferanten zuarbeiten. Auch unser jährlicher Nachhaltigkeitsbericht bietet umfangreiche Informationen zu unserer Nachhaltigkeitsarbeit. Hierin können interessierte Kunden etwa unter anderem nachlesen, wie sich der Anteil nachhaltiger Materialien in unserem Sortiment vergrößert und was wir tun, um die Arbeitsbedingungen entlang der textilen Lieferkette zu verbessern.
Die Fair Wage Method, die vom unabhängigen Fair Wage Network entwickelt wurde, ist ein wichtiger Teil unserer Strategie zur Schaffung von fairen Lohnstrukturen. Nach und nach wird die Fair Wage Method in immer mehr Fabriken ausgerollt, die Produkte für uns fertigen. Im Jahr 2015 waren es 68, 2016 78 weitere.
Wir glauben, dass ein funktionierende industrielle Beziehungen, sozialer Dialog und kollektive Tarifverhandlungen der Schlüssel für faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen sind. Daher gehört es auch zu unseren Zielen, dass unsere strategischen Lieferanten bis 2018 demokratisch gewählte und funktionierende Arbeitnehmervertretungen haben. Im Zuge unseres Industrial Relations & Social Dialogue Program konnten wir im laufenden Jahr 2015 37.000 Arbeitnehmer mit Trainings erreichen. 1200 Gewerkschaftsmitglieder und rund 1000 Fabrikmanager wurden trainiert. In Bangladesch läuft das Social Dialogue Program seit drei Jahren. Im vergangenen Jahr waren bereits 40% der Fabriken, die für H&M produzieren, mit den Trainings abgedeckt. Mehr als 150.000 sind so durch demokratisch gewählte Arbeitnehmervertreter repräsentiert.
NACHTRAG, da seit der Durchführung des Interviews neue Zahlen vorliegen: Bis Ende 2017 wurden die Trainings bei 458 Textilproduzenten durchgeführt und hiermit mehr als 620.000 Arbeiter erreicht. Teil hiervon ist auch, dass diese Arbeitnehmer zukünftig von gewählten Arbeitnehmervertretungen repräsentiert werden. Inzwischen haben 100% der Textilproduzenten, mit denen wir in Bangladesch zusammenarbeiten, demokratische Wahlen für Arbeitnehmervertretungen durchgeführt.
Oft wird als “Beweis” für die schlechte Behandlung von Arbeitern der Fakt angeführt, dass man nicht “in die Fabrik hineingelassen” worden sei. Was sagt ihr zu solchen Vorwürfen?
H&M hat keine eigenen Fabriken. Dies gilt für einen Großteil der weltweiten Modehändler, dennoch ist dies den meisten Kunden oftmals nicht bewusst. Wenn Journalisten aus Deutschland oder einem der anderen 67 Märkte weltweit Interesse haben, eine Zulieferfabrik von uns zu besuchen, wird dies auf globaler Ebene von den Kollegen in Schweden geprüft. Wir sind davon überzeugt, dass Transparenz für einen positiven Wandel unabdingbar ist. Dass eine Besichtigung einer unserer Zuliefererbetriebe nicht immer möglich ist, kann unterschiedliche Gründe haben. Etwa die Kurzfristigkeit der Anfrage, äußere Umstände, wie etwa politische Aufstände in der jeweiligen Region. Grundsätzlich ist es wichtig zu wissen, dass das Fabrikmanagement als eigenständiger Produzent nicht dazu verpflichtet ist, fremden Personen Zutritt zu seinem Gelände zu gewähren. Dies ist in unseren Produktionsländern sehr ähnlich wie hier bei uns – auch hier kann man als Privatperson nicht ohne weiteres Unternehmen und Betriebe besichtigen. Wenn Journalisten bei uns anfragen, versuchen wir in Zusammenarbeit mit unseren Zulieferern einen solchen Besuch zu ermöglichen oder in anderer Form transparent Antworten auf die offenen Fragen zu liefern.
Welche Maßnahmen trefft ihr, um die Arbeitsbedingungen in den Fabriken, an die ihr die Produktion auslagert aktiv positiv zu beeinflussen?
Wir arbeiten auf unterschiedlichen Ebenen an besseren Arbeitsbedingungen entlang unserer Wertschöpfungskette. Bis 2018 haben wir uns etwa das Ziel, alle strategischen Lieferanten von H&M dazu zu bringen, ihren Angestellten einen fairen existenzsichernden Lohn zu zahlen. Darunter verstehen wir ein Einkommen, das das Existenzminimum des Arbeitnehmers sichert, jährlich überprüft und von demokratisch gewählten Gewerkschaften verhandelt wird. Dies wird 850.000 Textilarbeitern zugutekommen. Wir wollen die Praktiken von Einkäufern und Lieferanten weltweit verändern und Arbeitsnehmerrechte und die Verantwortung von Regierungen stärken. Dabei gehen wir weiter als je ein Modeunternehmen vor uns, und wir rufen unsere Branchenkollegen dazu auf, unserem Beispiel zu folgen.
Unsere Fair Wage Roadmap haben wir in enger Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Stakeholdern und unserem Wage Advisory Board, bestehend aus NGOs, Gewerkschaften und anderen Experten auf diesem Gebiet entwickelt. Unser Fokus ist es, einen systematischen Wandel voranzutreiben, sowohl in unseren Zulieferfabriken als auch in den betroffenen Märkten an sich. Wir arbeiten daran, einen Grundstein zu legen, für eine langfristige und nachhaltige Entwicklung der Löhne, über einzelne Fabriken hinaus. Auch wenn dies noch weitere Zeit benötigen wird, sind wir davon überzeugt, dass dies der richtige Weg ist.
Wir möchten sicherstellen, dass unsere Einkaufspraktiken unsere Zulieferer dabei unterstützen, faire Löhne einzuführen. Zeitgleich verbessern wir unsere Einkaufspraktiken, um den Zulieferern die Planung ihrer Kapazitäten zu erleichtern und gleichzeitig Produktionshochzeiten und Überstunden zu reduzieren. Gemeinsam mit unseren Zulieferern arbeiten wir an der Einführung der erforderlichen Bezahlstrukturen und –Systeme.
Wir teilen die Meinung der globalen Gewerkschaft IndustriALL, dass Tarifverhandlungen der Schlüssel zu fairen Löhnen sind. Dies ist einer der Gründe, warum wir uns mit ihnen und einer Auswahl anderer Marken zu einer neuen Kollaboration unter dem Namen ACT (Action, Collaboration, Transformation) zusammengefunden haben. ACT hat es sich zum Ziel gesetzt, die Löhne zu verbessern, in dem es Schlüsselfiguren zusammenzubringt, um Tarifverhandlungen und eine kontinuierliche Entwicklung von verantwortungsbewussten Einkaufspraktiken zu fördern.
Ihr vergebt jedes Jahr den Global Change Award. Erzählst du uns kurz, was das ist und wer bisher diesen Award bekommen hat?
Der Global Change Award geht nun bereits in die dritte Runde und wurde von der H&M Foundation mit dem Ziel ins Leben gerufen, mit der Förderung wahrhaft bahnbrechender Ideen den Ressourcenkreislauf der Mode zu schließen und die natürlichen Ressourcen der Erde zu schützen. Auf die fünf Gewinner wird eine Gesamtgewinnsumme von einer Million Euro aufgeteilt. Außerdem bekommen sie Zugang zu einem sogenannten „Innovationsbeschleuniger“. Dieser bietet ihnen maßgeschneiderte Unterstützung für ihre Projekte und einen wertvollen Zugang zur Modebranche. Im vergangenen Jahr wurden mehr als 2.800 Bewerbungen aus 130 Ländern eingereicht. Zu den Gewinnern gehörten im vergangenen Jahr spannende Ideen wie Leder aus den Resten der Weinherstellung, intelligente Fäden, die in Kleidungsstücke gewebt wurden um Recyclingprozesse zu erleichtern, klimapositive Nylon aus Wasser, Pflanzenabfälle und Solarenergie.
NACHTRAG, da seit der Durchführung des Interviews neue Zahlen vorliegen: Im vergangenen Jahr wurden mehr als 2.600 Bewerbungen aus 150 Ländern eingereicht. (Global Change Award 2018)
Eine Frage, die euch immer wieder erreicht ist, warum ihr in Ländern wie Bangladesch produziert. Einige Stimmen fordern von euch, Produktionsländer mit niedrigen Lohnniveaus zu verlassen. Was ist eure Antwort auf solche Forderungen?
Wir glauben, dass es richtig ist, vor Ort zu sein. Unsere Produkte werden in vielen verschiedenen Ländern auf der ganzen Welt hergestellt, darunter befinden sich auch zahlreiche Entwicklungsländer. In den Fabriken, in denen unsere Produkte hergestellt werden, bringen wir indirekt über eine Million Menschen in Arbeit. Gerade dort ist es uns wichtig, unsere Marktmacht zu nutzen, um langfristig die Lebensbedingungen der Arbeitnehmer vor Ort zu verbessern. Wir glauben, dass wir unter Einhaltung unserer Werte, mit den richtigen Geschäftsentscheidungen und unserem Kontakt zu den Regierungen vor Ort dazu beitragen können, Menschen aus der Armut zu befreien.
Ihr arbeitet mit UNICEF zusammen – kannst du mir mehr darüber erzählen, inwiefern ihr hier unterstützt?
H&M unterstützt UNICEF bereits seit vielen Jahren sowohl auf lokaler als auch auf globaler Ebene. Hier in Deutschland haben unsere Kunden seit 2013 die Möglichkeit, ihren Einkaufsbetrag an der Kasse für UNICEF aufzurunden oder einen Wunschbetrag zu spenden. Derzeit kommt das Geld der Nothilfearbeit von UNICEF in Syrien und Umgebung zugute.
Seit 2004 unterstützt H&M global UNICEF im Rahmen einer internationalen Kooperation und setzt sich so für die Rechte der Kinder ein. Im Zuge des „Global Program for Education“ – eine Kollaboration zwischen der H&M Foundation und UNICEF, setzen wir uns gemeinsam für frühkindliche Entwicklung ein. Zwischen Februar 2014 und Frühjahr 2017 spendete die H&M Foundation 9,3 Millionen USD an UNICEF. In diesem Frühling wurde schließlich die Fortsetzung des gemeinsamen Programms für die nächsten drei Jahre verkündet.
Kennt ihr die Kampagne “Who made my Clothes?” Wie steht H&M dazu? Hättet ihr Lust mitzumachen?
Wir kennen die Kampagne und glauben, dass Initiativen wie diese das Bewusstsein für einige der wichtigsten Themen in der Textilindustrie schärfen: mehr Transparenz und gute Arbeitsbedingungen in der gesamten Modebranche. Transparenz ist sehr wichtig für uns und wir möchten dazu beitragen, dass die Modeindustrie nachhaltiger und transparenter wird. Aktuell können wir leider noch nicht die Herkunft aller Produkte veröffentlichen, aber wir hoffen, dass dies in Zukunft möglich sein wird. Auf der anderen Seite freuen wir uns sehr, dass wir im letzten Fashion Transparency Index von Fashion Revolution als eines der Top Drei Unternehmen hinsichtlich unserer Transparenz entlang der Lieferkette sowie die Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken ausgezeichnet wurden.
Ist bei euch, so wie bei anderen großen Ketten – und übrigens auch vielen nachhaltigen Unternehmen – jedes Kleidungsstück in Plastik eingeschweißt, das in einen Laden geliefert wird? Inwiefern setzt ihr euch mit solchem und anderem Müll auseinander, der in der Bekleidungsindustrie anfällt?
Ein Großteil unserer Produkte wird in Ländern produziert, in denen das Wetter vom Wechsel zwischen Regen- und Trockenzeit bestimmt ist. Neben den Niederschlagsmengen spielt auch die Luftfeuchtigkeit eine große Rolle. Beides hat zur Folge, dass es oftmals besonderer Verpackungen bedarf, um unsere Ware auf ihrem Weg bis in unsere Stores zu schützen. Denn nur wenn unsere Produkte unversehrt in unseren Geschäften eintreffen, können sie ihren Weg zu unseren Kunden finden. Kämen unsere Produkte unverpackt, würden sie vermutlich auf der Reise beschädigt und müssten entsorgt werden, womit unnötig Ressourcen verschwendet werden müssten.
Aber nicht nur die Temperaturen und die Feuchtigkeit beeinflussen die Verpackung unserer Ware. Auch viele modische Details wie Drucke, Strass-Applikationen oder Pailletten erfordern besondere Vorsicht. Keine dieser Verpackungsmethoden geschieht willkürlich. All unserer Zulieferer bekommen einen ausführlichen Katalog mit Anforderungen, in dem detailliert erklärt wird, welche Verpackung für welches Produkt benötigt wird. Hierfür können wir auch aus unserer langjährigen Erfahrung schöpfen. Unsere Kollegen des Quality Departments sind Profis auf diesem Gebiet und prüfen täglich, in welchem Zustand unsere Ware bei uns eintrifft und welche Verbesserungspotenziale es bei unseren Verpackungen gibt. Auch auf globaler Ebene arbeiten wir daran, unsere Verpackungen stetig zu optimieren und wo möglich, nachhaltigere Lösungen zu finden.
Welche konkreten Ziele in Richtung Nachhaltigkeit verfolgt ihr aktuell und wie weit seid ihr in der Erreichung dieser Ziele fortgeschritten?
All unsere kurzfristigen und langfristigen Ziele fassen wir jährlich in unserem Nachhaltigkeitsbericht zusammen. Zu den wichtigsten gehören aber sicherlich die folgenden:
Bis 2018 haben wir das Ziel, alle strategischen Lieferanten von H&M dazu zu bringen, ihren Angestellten einen fairen existenzsichernden Lohn zu zahlen. Eingangs habe ich dir ja zu diesem Ziel schon etwas mehr erzählt. Aber auch hinsichtlich der in unseren Produkten verwendeten Materialen verfolgen wir ambitionierte Ziele. Bis 2020 möchten wir ausschließlich Baumwolle aus nachhaltigeren Quellen verwenden. Hierzu zählen wir recycelte Baumwolle, Better Cotton (BCI) und Bio-Baumwolle. Derzeit stammen bereits 43% der in unseren Kollektionen verwendeten Baumwolle aus diesen Quellen. (NACHTRAG: In 2018 sind es bereits 59%.) Bis 2030 möchten wir ausschließlich recycelte Materialien oder Materialien aus anderen nachhaltigen Quellen für unsere Produkte zu verwenden. Im vergangenen Jahr lag dieser Anteil bereits bei 26%. (NACHTRAG: In 2017 waren es bereits 35%.) Dazu zählt neben nachhaltiger Baumwolle unter anderem auch recycelte Baumwolle aus der Initiative „Kleidung sammeln bei H&M“ und recyceltes Polyester, welches unter anderem auch PET-Flaschen oder Shampoo Flaschen gewonnen wird. Wir gehören außerdem zu den weltweit größten Verarbeitern von recyceltem Polyester. 2016 verwendeten wir Recycling-Polyester in einer Menge, die über 180 Millionen PET-Flaschen entspricht.
Viele Konsumenten haben keine Vorstellung davon, wie Veränderungen in großen Unternehmen angegangen werden. Kannst du kurz anhand der Idee in Zukunft ausschließlich Bio-Baumwolle zu verwenden ein paar Beispiele geben, um was ihr euch alles kümmern müsst, um so eine Veränderung zu bewerkstelligen?
Unser Ziel ist es, bis 2020 ausschließlich Baumwolle aus nachhaltigen Quellen zu verwenden. Hierzu gehört nicht nur Bio-Baumwolle, sondern auch Baumwolle aus der Better Cotton Initiative und recycelte Baumwolle.
H&M ist einer der größten Abnehmer von zertifizierter Bio-Baumwolle weltweit. In der Tat werden all unsere Produkte, in denen Bio-Baumwolle enthalten ist, unter Einhaltung strenger Standards wie OCS (Organic Content Standard) oder GOTS (Global Organic Textile Standard) produziert und durch eine unabhängige Zertifizierungsorganisation wie Control Union oder ICEA geprüft.
Außerdem ist die H&M Gruppe ein aktives Mitglied der Better Cotton Initiative (BCI). BCI ist eine gemeinnützige Organisation, die Bauern dabei hilft, die Auswirkungen durch den Anbau von Baumwolle auf die lokale Gesellschaft zu verringern und die Lebensumstände für die Bauern und ihre Familien zu verbessern. Im Jahr 2015 erreichte BCI sein Ziel, eine Millionen Bauern darin zu trainieren, bei der Ernte von Baumwolle weniger Wasser und Chemikalien einzusetzen und arbeitete hierfür mit Partnern wie dem WWF und Solidaridad zusammen.
Unsere langfristige Vision ist ein geschlossener Kreislauf für Textilien und so die Schonung natürlicher Ressourcen und der Umwelt. Unsere Initiative „Kleidung sammeln bei H&M“ ist ein wichtiger Teil hiervon. Immer noch werden Abertausenden von Tonnen Textilien jedes Jahr weggeworfen – rund 95% hiervon könnten weitergetragen oder recycelt werden. Wir waren das erste Unternehmen unserer Größe, das eine Initiative zur Rücknahme alter Kleidung anbietet. Wir möchten unseren Kunden so die Möglichkeit geben, auf einfache Art uns Weise ihrer alten Kleidung ein neues Leben zu schenken. Es wird jede Kleidung, unabhängig von Zustand und Marke akzeptiert.
Nach wie vor gibt es leider viele Hürden innerhalb des Textilrecyclings – besonders die Trennung von gemischten Fasern sowie die Trennung von Farben und anderen Fremdstoffen von Polyester und Zellulose ist noch immer schwierig. Daher investiert H&M auch in die Forschung neuer Technologien für einen geschlossenen Textilkreislauf. Ein Beispiel hierfür ist etwa unsere Zusammenarbeit mit dem Start-up Unternehmen Worn Again und der Luxus-, Sport- und Lifestyle-Gruppe Kering. Worn Again’s chemische Recycling Technologie bietet eine Möglichkeit, Polyester und Baumwolle aus alten oder nicht länger tragbaren Textilien zu separieren und zu extrahieren. Mit dem Hongkong-Forschungsinstitut für Textilien und Bekleidung (HKRITA) arbeitet die H&M Foundation innerhalb einer auf vier Jahre angelegten Partnerschaft an einer wegweisenden Lösung für die Wiederverwertung von Textilien in neue Stoffe und Garne – ohne jeglichen Qualitätsverlust – durch einen hydrothermischen (chemischen) Prozess. Die Technologie wird skaliert und der globalen Modebranche zur Verfügung gestellt.
Wenn ihr zwei Sätze zur Verfügung hättet, um euren Kritikern zu sagen, wie sie ihre Stimme sinnvoll nutzen können, was würdet ihr ihnen sagen?
Schaut hinter die Kulissen! – sich selbst darüber zu informieren, wie die eigenen Lieblingsmarken produzieren lassen und wie sie sich engagieren, ist unabdingbar, um bewusste Entscheidungen zu treffen. Und: Tragt eure Lieblingsstücke so lange wie möglich, pflegt sie gut, tauscht sie mit Freunden und recycelt sie, wenn sie irgendwann wirklich nicht mehr tragbar sind.
Das könnte dir auch gefallen:
TATONKA – Faire Outdoor Marke trifft grünes Mecklenburg Vorpommern
Mit AEG Kleidung nachhaltig waschen und pflegen + DIY Efeu Waschmittel Rezept
KABAK – Ein Fair Fashion Label aus Polen mit Herz, Humor & Stil