Manchmal ist so ein Lost Place plötzlich selbst verloren – so heißt es zumeist irgendwann, dass solch ein Ort einen von zwei möglichen Wegen einschlägt: Totaler Verfall oder Neubeginn. Die Alte Fleischfabrik in Berlin erlebt aktuell einen Neubeginn und wird zur neuen Nutzung umgebaut. Ich durfte mich 2015 bei einer Fototour, auf die uns Canon eingeladen hatte, glücklich schätzen diesen Ort noch besichtigen zu können. Obwohl ihr diesen Ort nicht mehr selbst besuchen könnt, habe ich mir überlegt, ihn euch trotzdem zu zeigen. Denn Fotografie ist immer ein großes Stück Erinnerung und diese möchte ich nicht ungesehen verblassen lassen.
Die Faszination, die wir spüren, wenn wir mysteriöse oder historische Orte erkunden ist magisch. Plötzlich scheint die eigene Fantasie Flügel zu bekommen und wir malen uns aus, wie es hier oder dort früher einmal gewesen ist, wer seinen Fußabruck hinterließ und welche Schicksale aufeinander trafen.
Aber nicht immer kehrt touristisches Leben in große Orte ein. So manches mal ist so ein Lost Place plötzlich selbst verloren.
So heißt es zumeist irgendwann, dass solch ein Ort einen von zwei möglichen Wegen einschlägt: Totaler Verfall oder Neubeginn. Und während wir euch bereits vom Verfall der Mühle in Bad Kleinen, der verlassenen irakischen Botschaft in Berlin und der ehemaligen Offiziersstadt Wünsdorf Waldstadt mit Bild und Wort berichteten, heißt es für die Alte Fleischfabrik in Berlin aktuell einen Neubeginn zu wagen, denn dieser verloren geglaubte Bau soll tatsächlich zur neuen Nutzung umgestaltet werden.
Ich hatte vor einiger Zeit das Glück mich im Rahmen einer Fototour, auf die uns Canon eingeladen hatte, dort umzusehen und habe euch diese bewegenden wie faszinierenden Aufnahmen längst vergangener Berliner Arbeitstage mitgebracht.
Obwohl ihr diesen Ort aktuell nicht mehr selbst besuchen könnt, habe ich mir überlegt, ihn euch trotzdem, oder auch gerade deshalb zu zeigen. Fotografie birgt immer auch ein großes Stück Erinnerung, Leben und Geschichte und diese möchte ich nicht ungesehen verblassen lassen.
Die Alte Fleischfabrik – Der Charme des Absurden
Eine verrückte Mischung aus moderner Kunst der Streetart Szene und staubigem DDR-Charme begegnet uns Besuchern dieses Berliner Lost Place. Die Graffitis an den Wänden, die ihr auf den Bildern seht, stammen von verschiedensten Freigeistern und streetart-Künstlern und faszinieren, schockieren und stimmen gleichzeitig wehmütig. Wie bunte Kleckse leuchten sie im Grau der ehemaligen Fabrik für Fleischerzeugnisse von den Wänden und buhlen um Aufmerksamkeit.
Die frühere Konsum Fleischerei der DDR liegt direkt neben der alten Bäckerei. Sie gehörte in ihrer intensivsten Betriebsphase zur Konsum-Genossenschaft Berlin, wurde jedoch bereits zum Ende des 19. Jahrhunderts gegründet und in Betrieb genommen. Seit 1994 steht diese Fabrik still, doch es blieben viele Zeugnisse der Zeit zurück, die ich zu unserer Tour noch besichtigen konnte.
Von Büros und Umkleidekabinen geht ein seltsamer Charme aus. Die Räucherei kann man auch nach 20 Jahren noch gefühlt mehrere Meilen gegen den Wind wittern und im Labor hängen die weißen Kittel fein säuberlich an den Haken. Plötzlich war hier alles anders. Plötzlich war alles aus.
Als ob von einem Tag auf den anderen die Zeit still stehen geblieben wäre, so mutet es an. Man kann die Überraschung, die Panik und auch die Traurigkeit überall in diesen gigantischen, leeren Hallen greifen.
Zeitzeugnisse geben sich die Hand mit moderner Kunst, abblätternden Tapeten und zerbrochenen Fenstern. Und so wurde aus der einstigen Betriebsamkeit ein eroberter Lostplace der Moderne, von dem ich viele Eindrücke mitgenommen habe, die noch lange in mir nachhallen werden.
Bis zu 13.000 Mitarbeiter erwirtschafteten hier die Produkte für die um die 1000 Verkaufsstellen. Nach der Wende verwischen sich die Spuren der großen Konsumgemeinschaft im Jahr 1993 lief die letzte Produktion ab, man begann die Betriebsausstattung größtenteils zu verkaufen. Das was keinen Wert hatte blieb – und wird noch ewig auf den Bildern all jener Lost Place Entdecker verweilen, die sich in der alten Fleischfabrik umgesehen haben.
Lost Place Gedanken – was solche Plätze in einem verändern und warum man sich dafür Zeit nehmen sollte
Geschichte zu erfahren, zu spüren, das ist nicht unbedingt einfach. Als Teeager engagierte ich mich in unserem Verein dafür, Gesprächsrunden mit Haulocaust Überlebenden mit zu organisieren und zu begleiten. Zeitzeugen zu lauschen, Geschehenes ansatzweise zu begreifen, persönlichen Schicksalen zu begegnen und daraus zu lernen, all das lag und liegt mir am Herzen. Und auch jetzt, fast 20 Jahre später, kann ich nicht anders, als das Verlorene interessiert zu betrachten.
All die persönlichen Geschichten, die sich an diesen Orten zugetragen haben, die Verflechtungen, Geheimnisse, all das Große und Kleine was so manches Leben bewegt und geprägt hat: An diesen verlorenen Orten kann es noch heute gefunden – und wenn auch verborgen unter Staub und Schimmel – erahnt werden.
So ein Lost Place entrückt, verzückt, rückt gerade und stellt auf den Kopf. Innen wie außen. Wer sich traut der Vergangenheit Gehör und Gedanken zu schenken, wird mit seltenen Einblicken belohnt. Irgendwann wird nichts von alledem mehr leben. Zeitzeugen verstummen, Orte verfallen und doch bleibt das eine oder andere Bild vor unserem inneren Auge bestehen. Wie ein geflügeltes Wort oder ein lieber Mensch lösen sie etwas in uns aus, von dem wir, bis wir es entdeckt haben, gar nicht wussten, dass es da ist.
Meine Lost Places Tipps für eure nächste Erkundungstour in und um Berlin
Nicht nur unzugängliche, oder private Gelände üben dies ganz besondere Anziehung auf uns aus. Ihr müsst keinen Hausfriedensbruch begehen um euch davon zu überzeugen, was ich meine. Oft ist eine kleine geführte Tour viel spannender und informativer, als auf eigene Faust loszuziehen, weil es nicht nur vieles zu sehen, sondern eben all das Hintergrundwissen zum Ort obendrauf gibt!
Wir empfehlen euch zum Bespiel die Berliner Unterwelten und die alten Bunkersysteme zu besuchen, oder einen geführten Spaziergang durchs olympische Dorf? Das möchte ich auch unbedingt noch machen. Vielleicht habt ihr aber auch Lust auf Sonnenschein! Dann stattet der Radarstation auf dem Berliner Teufelsberg einen Besuch ab oder genießt die Aussicht vom Baumkronenpfad auf den wohl bekanntesten Lost Place des Berliner Umlandes: Beelitz Heilstätten. Und wenn ihr wissen wollt, was es mit dem Funkhaus Berlin auf sich hat, schaut gerne mal in unserem Artikel vorbei, denn da sind wir auch schon begeistert herumgestromert.
Ich wünsche euch bei all euren Exkursionen viel Freude und bin gespannt, was ihr zu berichten habt.
Danke an CANON für die einmalige Gelegenheit die Alte Fleischfabrik Berlin zu erkunden.