Als Influencer und Reiseblogger obliegt es unserer Verantwortung was für Content wir posten und veröffentlichen. Deshalb ist es an der Zeit, aus der gülden leuchtenden Instagramblase aufzutauchen und gemeinsam für die Initiative #NOTFROMTHISPERSPECTIVE einzutreten.
Nach mehr als 2500 eigenen Posts auf Instagram habe ich weder einen blauen Haken, noch blüht meine Community in wildesten Debatten auf. Und trotzdem habe ich etwas, das vielen auf dieser Plattform fehlt. Ein Bewusstsein für meine Verantwortung. Ein Gewissen meinen Followern, als auch meinen Themen gegenüber.
Ich nutzte Instagram als Mischform, wobei sich private Gedanken und Unternehmensansätze ergänzen. Ich mag den Austausch den die Plattform bieten kann. Jedoch ertrage ich das ignorante und verklärte Umgehen mit der Fülle der gezeigten Inhalte nur noch schwer.
Ich finde es ehrlich gesagt zum Kotzen, auch wenn ich mich sonst nie so ausdrücke, aber es ist mir unerträglich zu sehen, welchen negativen Einfluss ganz besonders wir Influencer, wie man ja heute von außen betitelt wird, auf die Instagram Community haben können. Alles was wir posten wird gesehen! Das wollen wir auch! Aber bitte, machen wir uns doch auch mal Gedanken über die Folgen, für uns, dich, deine Fans und für die Welt, die wir unser Zuhause nennen.
Erst gestern Abend habe ich es wieder erlebt. Ich bin innerlich so wütend geworden. Eine Bekannte im gleichen Business, die ihr Geld damit verdient als Reisebloggerin unterwegs zu sein, hat ein Bild gepostet. Person XY unterwegs auf der Pressereise XY posiert wundervoll inmitten der Natur. Soweit alles gut und schön. Aber nix da. Denn was ich sah ärgerte mich zutiefst. Die Frau turnt und hüpft mitten in der Natur auf einer Gesteinsformation herum. Wahrscheinlich wundere ich mich nur, weil ich die Umgebung des Bildes selbst schon besucht habe. Ich kenne den Ort. Ich weiß, um all die Schilder zum Verhalten, um die Aufforderungen sich zu benehmen, um die Verbote und Gebote und dann starre ich auf das Foto.
Ich denke nur: Mädel, du befindest dich im Nationalpark. Und du hängst dich für dein unterhaltsames Instagram Foto, dass für Sekunden angesehen wird an eine Jahrtausende alte, instabile Steinformation und freust dich darüber, dass die Welt dein Spielplatz ist. Du hüpfst in deiner Story darauf herum! Was fällt dir ein?! Wie kommst du darauf, dass all diese Regeln, unter denen der Zugang zu diesem Ort gewährt wird, nicht für dich gelten?!
Die Natur ist nicht unser Spielplatz! Ende der Durchsage. Sie ist nicht dazu da, uns zu unterhalten. Sie ist Lebensraum von Tieren und Pflanzen. Erholungsort für den Menschen. Sie ist äußerst schützenswert. Und es obliegt unserer Verantwortung dies zu leben und uns gegenseitig darin zu ermahnen.
Meine Gedanken rasen und drehen sich energisch. Ich bin genervt, frustriert von dem was ich sehe, von den Hintergrundgeschichten des Geschäftes mit der Reichweite. Fassaden und Schein. Hochpolierte Bilder und Imagekampagne. Was nützt es wenn man Bio Lebensmittel shoppt und faire Markenkleidung trägt, nur um sich dann an dem zu vergreifen, was man eigentlich so schätzt? Wie passt das zusammen? Wie kann man laut in die Welt hinaus posaunen, dass man beispielsweise liebend gerne Rad fahre und postet dann Bilder von einer Tour, auf der man aber eigentlich – weil es doch viel anstrengender war, als man dachte, dann doch mit dem Auto chauffieren lässt?
Wie ich auf so was komme? Weil ich es erlebe. Immer wieder. Die Influencerblase auf Instagram ist voll davon und wird genährt von verqueren Wünschen und Vorstellungen. Reiseblogger beginnen für Fotos in Sonnenuntergängen über Absperrungen zu klettern, tragen auf Wandertouren, die sie vortäuschen, Kleidchen und Hüte anstatt in Wanderstiefeln und mit Rucksack unterwegs zu sein. Der Grad zwischen Realität, Kunst und Scheinwelt ist verschwommener denn je. Es wird geliefert, was in unserer Vorstellung perfekt ist. Zäune, Straßen oder Schilder gehören nicht in die Blasen und werden wie vieles andere raus retuschiert.
Ich wandere seit meiner Kindheit, war Pfadfinder und teile meine Reiseleidenschaft mit meinem Mann. Wir sind gerne und viel draußen. Schon immer. Doch was wir sehen und erleben wird durch falsche mediale Vorbilder einfach unfassbar verschlimmert.
Kommen wir zurück zu meinem Beispiel, der vor Freude hüpfenden Influencerin. Ich werde sauer sobald ich daran denke. Als ich diesen Ort besuchte, habe ich dort eine Tour mit einem Ranger gemacht, der mir erklärt hat, wie schwer es für die Parkwächter ist, auf die Unversehrtheit der instabilen Gesteine aufzupassen, jetzt wo jeder hier Fotos machen will. Früher war das nicht so. Da ging es der Natur besser, genauso hat er es beschrieben. Und das ist der springende Punkt. Zudem bringt man mit diesem Verhalten nicht nur die Natur, sondern auch sich selbst in Gefahr. Und das, für welchen Preis?
Ist es das was wir mit unseren Bildern erreichen wollen? Nein. Natürlich geht es darum zu zeigen wie wunderschön unsere Erde ist, wie herrlich es ist zu reisen. Davon nehme ich mich nicht aus! Aber!!! Dafür darf und muss man den eigenen Kopf einschalten. Klar ist es toll auf Instagram nach spannenden Orten zu suchen und diese über die Standortfunktion zu erkunden, aber das heißt noch lange nicht, dass dieses Fleckchen Erde erstens genauso aussieht wie wir es sehen und zweitens nicht weitaus mehr zu bieten hat, als diesen beliebten und schon 1000 mal fotografierten Smartphonewinkel.
Schaut euch auf Instagram einmal in Sachen Kanadafotos um! Was ihr sehen werdet ist der Wahnsinn! Unglaublich blaue Flüsse, kristallklare Seen, Berge, alles was das Outdoor Herz begehrt. Wenig ist vor Ort eingezäunt oder abgesperrt. Auch hier, vertraut man auf den Verstand. Funktioniert das? Nein. Ich war da. Ich hab es mit eigenen Augenen gesehen und bin vor Ort so sauer geworden! Reisegruppen hüpfen auf natürlichen Steinbrücken umher, ignorieren die „Betreten verboten“ Schilder und posten fröhlich Selfies. Reiseblogger sind da nicht unbedingt anders. Es ist ja nur ein Foto. Macht ja nichts, wenn ich den Trampelpfad hier auch noch breiter austrete. Schadet ja niemanden. Hauptsache mir selbst hilft es zu mehr Ruhm und Likes. Ich raste in solchen Situationen vor Ort regelmäßig aus. Es macht mich wütend und traurig. Ich spreche die Leute an, mal so, mal so. Meistens werde ich dann ignoriert. Als ob man mich nicht verstände, wenn ich wild fuchtelnd auf Beschilderungen die mit Symbolen versehen sind zeige. Als ob jeder eine Ausnahmegenehmigung hätte.
Vielleicht bin ich da auch nervig und peinlich. bestimmt. Aber für wen? Mich selbst, oder meinen Gegenüber? Wie soll man denn reagieren? Was ist richtig? Und was falsch? Ich will mich nicht aufspielen, aber ich will auch nicht schweigen. Nicht mehr. Mir reicht es!
Wenn Zäune Gebiete begrenzen ist das ein Zeichen! Hier geht es nicht darum dich auszuschließen oder dir eine schöne Aufnahme zu verwehren, sondern dich erstens vor Gefahren zu schützen und zweitens, die Natur vor uns zu bewahren, denn wir sind die Eindringlinge. Haben wir das auch im Jahr 2019 immer noch nicht verstanden, ist es wohl nötig und richtig diese Zeilen zu tippen!
Nutzt eure Reichweite auf Instagram nicht nur dafür, euch im besten Licht darzustellenden, sondern auch dafür, Sinnhaftigkeit und Wirklichkeit zu schaffen und diese zu erklären.
Auf Reisen lernen wir, gerade als Reiseblogger so unendlich viel, wenn man sich dann auch für Mensch und Natur interessiert, ins Gespräch kommt, zu zu hören vermag und auch mal liest, was die Beschilderung so empfiehlt.
Belasse es nicht nur bei einem coolen Foto, erkläre warum es so unglaublich schön für dich dort ist. Vielleicht wird dir dann auch selbst ein Licht aufgehen. Ich klinge hier sicher wie ein kleiner Rohrspatz, aber mir reicht es wirklich! Denn wenn wir es vormachen, vorleben und Falsches auch noch ästhetisch zelebrieren, werden uns andere unsere Dummheiten zu 100 Prozent nachmachen! Und das führt nicht zu dem, was wir uns vorstellen oder? Es führt zur Zerstörung dessen, was wir als schön erachten.
Das meistbenutzte Hashtag 2019 sollte folglich nicht lauten #fromwhereistand, sondern #notfromthisperspective! Und es darf ehrlich zu Kommentaren und Diskussionen anregen. Es soll wachrütteln und helfen zu bewahren und zu schützen.
Wenn durch besonnenes Verhalten bestimmte Bilder ausfallen, dann ist das eben so. Davon geht die Welt viel weniger unter, als von dem was wir jetzt tun! Und wenn man professioneller Fotograf oder Team eines Fotoshootings ist, kümmert man sich für entsprechende Shootings in bestimmten Locations eben um die richtige Genehmigung. Das tun wir auch, da ist nichts Schlimmes dabei. Gleiches gilt für den Einsatz von Drohnen oder sonstigen Videoaufnahmen. Aber ein professioneller Einsatz ist eben auch etwas anderes, eine Ausnahme.
Ich bin mir sicher, es ist lohnend, sich selbst wieder aktiver umzusehen, die Wanderschuhe nicht nur zum Posieren, sondern auch zum Gehen zu verwenden und sich aufzumachen, Natur wirklich zu erfahren und nicht nur innerhalb von Minuten abzulichten. Denn sie ist so viel mehr als nur Kulisse.
Wenn du dich beim Lesen dieses Beitrages angesprochen fühlst – sehr gut. Wenn du dich beleidigt oder angegriffen fühlst, war das nicht meine Absicht. Wenn dich dieser verbale Haken damit aber kurz wach rüttelt und zum Nachdenken anregt, habe ich erreicht was ich wollte und halte dir auch meine Wange hin.
Ich ticke doch selbst nicht anders. Ich möchte auch tolle Bilder für meine Profile, um euch bestmöglich zu inspirieren! Aber nicht um jeden Preis. Damit müssen wir gemeinsam aufhören. Es liegt in unser aller Verantwortung.
Deshalb mein Appell an dich, nutze deine Reichweite, deine Verantwortung, erhebe deine Stimme und wenn du das nächste Mal in einer der beschriebenen Situationen bist, denkst du vielleicht #notfromthisperspective!
Und ebenso wichtig, geht dieser Appell an uns alle, die wir diese Bilder sehen und konsumieren, hinnehmen ohne zu hinterfragen oder zu kritisieren. Auch unsere Stimmen zählen! Viel mehr als jedes getippte Herz. Wir müssen sie nur wiederfinden und einsetzten! Denn gemeinsam sind wir viele die sagen #notfromthisperspective
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