Reisen bildet und erweitert den Horizont. Tja, wenn das immer so einfach wäre. Natürlich lernt man auf jeder Reise unzählige praktische Dinge für den Alltag und muss sich immer wieder behaupten und manchmal auch Lösungen für bisher ungeahnte Probleme finden, aber das Fortsein macht auch noch etwas anderes mit uns. Es pustet uns den Kopf frei, wirbelt Herzenswünsche auf und relativiert Dinge, mit denen wir uns tagtäglich umgeben oder auch abmühen.
Manchmal kehre ich von Reisen zurück und bin völlig traurig und am Boden. Das hatte ich jetzt schon zwei, dreimal mal. Nicht etwa weil ich nichts aufregendes erlebt oder zu wenig genossen hätte, sondern eher, weil ich mich damit quäle in alles Alte zurück zu kehren. Wer reist, der geht das Risiko ein, vielleicht nicht mehr wieder zu kommen. Und so sehr man nach jedem Aufenthalt an anderen Orten auch voll gepackt mit gigantisch neuen Erfahrungen und Emotionen ist, so sehr schleppt man so manches mal auch Gedankenplunder mit sich rum. Da entscheidet sich so manch einer gleich ganz auszuwandern.
Als wir beispielsweise im vergangenen Winter einen Monat auf Fuerteventura zum Surfen waren, habe ich mir vorher so viel vorgenommen. Ich wollte arbeiten, mit Tobi unseren nächsten Lebensabschnitt planen, Sport treiben, noch mehr auf meine Ernährung achten, natürlich Surfen und eine tolle Zeit haben. Dadurch, dass ich zu viel versucht habe in diese Zeit zu quetschen, habe ich nicht nur mich selbst gestresst, sondern auch mein Umfeld. Ich wurde unglücklich, weil ich weder entspannte, noch schaffte was ich mir vorgenommen hatte. Ich war enttäuscht von mir und anstatt locker zu lassen fertigte ich Listen um Listen an. Es gab noch so viel zu tun!
Komisch, dass ich jetzt, wo sich unsere Western Australia Reise dem Ende neigt, darüber nachdenken muss. Heutzutage reist man ja irgendwie auch immer ein bisschen, um sich selbst zu finden. Aber was macht man, wenn das nicht passiert, wenn der Plan nicht aufgeht und hinter der nächsten Welle oder Weggabelung doch nicht die so erhoffte eigene Lebensweisheit liegt. Verzweifeln?
Niemals hatte eine Generation so viel Zeit und Muße, so viele Freiheiten über sich und die Welt da draußen nachzudenken, sich auszuprobieren, Erfolge zu feiern und zu scheitern. Wir sind abgesichert. Das Nest ist gemacht und wir wollen mehr. Wir wissen nur nicht so genau was. Wir versuchen zwischen Wellen und auf Pilgerpfaden das zu finden, was uns die Großstadt nicht geben kann – und wir wundern uns, wenn andere darüber nur den Kopf schütteln.
Viele von uns haben mehr als einen Job, wir suchen keine Beschäftigung, sondern Berufung. Das ist auch ok, doch vielleicht tut es manchmal auch gut, einfach im Hier und Jetzt zu sein und zu leben – und das Leben eben so anzunehmen wie es ist. Zu akzeptieren anstatt zu planen.
Nach 6 Wochen Western Australia kehre ich nicht nur mit unzähligen Eindrücken zurück, sondern auch mit einer innerlichen Ruhe, wie ich sie schon lange nicht mehr verspürt habe. Das liegt aber nicht an all dem, was ich erfahren durfte, sondern vor allen Dingen, an der Gesellschaft des Menschen, mit dem ich diese Zeit teilte. Das gemeinsame Reisen mit meinem Mann hat mir vor Augen geführt, was für mich wirklich zählt, warum mein Herz tatsächlich manchmal schneller klopft und weshalb ich dieses gemeinsam sein nie wieder missen möchte.
Wer mir auf Instagram folgt weiß, wie ewig Tobi und ich schon eine größere Wohnung in Berlin suchen. Natürlich unmöglich, aber geben wir deshalb auf? Nein. Und tatsächlich erhielten wir während unserer Abwesenheit eine Zusagen für eine echte Traumwohnung. Wir dachten JA, das ist es! Juchu!!! Aber wie wir lernen mussten, fängt mit einer Zusage die Bürokratie erst an. Staffelmiete und ein zig seitiger Vetrag, mit 4 Anlagen und etlichen Klauseln, die uns Angst und Bange werden ließen brachten uns schließlich ganz, ganz schweren Herzens dazu dem Traum von Altbauwohnung abzusagen. Und wisst ihr was, ich war nicht etwa traurig und am Boden zerstört, ich war erleichtert über unsere Entscheidung.
Da waren wir beide, am anderen Ende der Welt und sagten Nein und fühlten Ja. Nein zu den überhöhten Mietpreisen und dem Zwang der Gesellschaft einfach mithalten zu müssen, wenn man doch so gerne auch ein neues Nest finden will. Ja zu uns, zu unserem gemeinsamen Überlegen. Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht und es zogen einige Tage ins Land, bis wir uns sicher waren, aber nun bin ich froh. Vielleicht ist es genau das, was das Reisen mit uns macht, es bietet uns in entscheidenenden Lebenssituationen den gebürtigen Abstand Dinge, Menschen, Situationen und auch eigene Gedanken und Lebensphasen zu betrachten, ein Fühlen folgen zu lassen um dann frei zu entscheiden.
Vielleicht wollten wir die Wohnung. Aber vielleicht wollen wir andere Dinge noch viel mehr? Wenn man diese Gedanken und Emotionen zulässt und beginnt gemeinsam darüber zu sprechen, dann hört man plötzlich auf sich über den Wohnungsmarkt zu ärgern und überlegt, was man sonst noch so mit seinem Einkommen und der eigenen Lebenszeit anfangen könnte. Das ist wunderbar und hat mir so einen Druck von der Seele genommen, von dem ich gar nicht gewusst habe, dass er mich so einengt.
Keine Sorge, wir wandern nicht aus, aber ich lasse zu, mich auf daheim zu freuen, auf die Mini-4-Wände, auf die verlockenden Weihnachtsgebäcke, auf den voll gepackten Schreibtisch, der sicher noch ein paar mehr Ideen erträgt. Ich freue mich all das zu haben! Ich kann es kaum erwarten in die heiße Badewanne zu steigen, endlich meine Familie wieder zu sehen und meine Mädels zum Glühwein zu treffen! Ich vermisse das Laufen in Regen, Schnee und Kälte, ich vermisse tatsächlich Alltag. Das klingt komisch und natürlich kann ich es kaum erwarten bald auch wieder in die Ferne zu starten, aber gerade genieße ich das Gefühl von Ankommen. Dasein. Lockerlassen.
Ich weiß nicht wie lange es andauert, aber das muss ich auch nicht. Ich mag es einfach zufrieden zu sein. Es sind die kleinen Dinge, die unser Leben so schön machen. Es sind nicht immer die Weite und das Wegsein. Manchmal ist es einfach auch das Zurückkehren, vielleicht sogar an Punkte, an denen man schon einmal war.