Ein eigenartiges Gefühl beschleicht mich als ich nach meinem Flug von Berlin nach Krakau mit dem Auto durch die Landschaften des polnischen Karpatenvorlands fahre. Zum einen scheint die Gegend sehr vertraut, fast heimisch – wirken die sanften Hügelketten im spätsommerlichen Abendlicht doch wie die in meiner Heimat. Zum anderen stülpt sich eine ganz eigene Mystik über die vorbeiziehenden Dörfer, die saftigen Wiesen und die in der Ferne thronenden Berge. Hier ist die Welt irgendwie noch in Ordnung. Hühner picken und scharren frei und unbehelligt in den Vorgärten, hier und da grasen Ziegen und Schafe um die sehr gepflegten Häuser herum und natürlich passen Hündchen auf ihr Revier und ihre Herrchen auf.
Fröhlich lasse ich die Blicke durch die Landschaft schweifen als unser Wagen plötzlich abrupt zum Stehen kommt: Ein Reh ist aus dem seitlich am Hang gelegenen Waldrand auf die Straße gesprungen, blickt für einen Sekundenbruchteil zu uns hinüber und sprintet dann weiter auf das Feld gegenüber. Puh, mit so viel Aufregung hatte ich am ersten Tag meines Karpaten Roadtrips gar nicht gerechnet. Lassen wir es also ruhig angehen!
Die erste Nacht – Herrlich herrschaftlich im Boutique Hotel Dwor Kombornia
Kaum im Dwor Kombonia, meinem ersten Übernachtungsort nahe der beliebten Stadt Krosno (dt. Krossen), angekommen werde ich bereits in das uralte, kühle Kellergewölbe des hinteren Hofgebäudes geführt. Hier wartet bereits der Rest meiner Reisegruppe sehnsüchtig auf den Beginn unser Weinprobe.
Es gilt auf dieser Reise den Spirit, die Tradition, aber auch das Drängen der Moderne in der Karpatenregion zu erspüren. Was bietet sich da besser an als den Weinkeller des Vier-Sterne Boutique Hotels zu stürmen und sich munter durch die Regionen zu probieren. Besonders aufgefallen ist mir dabei der Apince Sajat Receptze Dios Bor, ein mit Kräutern, Gewürzen und grünen Walnüssen über mehrere Monate verfeinerter Wein, den ihr bei Gelegeneheit probieren solltet.
Der Dios Bor beginnt voll und kräftig und endet mit einem langen und geschmeidigen Walnussgeschmack im Abgang. Wenn ihr mich fragt ist der Wein einfach „Christmas in a Bottle“ und passt mit seinen fruchtigen Nelken-, Zimt- und Honigaromen super in die kalte Jahreszeit und zum Apfelstrudel. Doch auch die heimischen Rebsorten brauchen sich nicht mehr vor denen anderer Regionen zu verstecken. Begünstigt durch den Klimawandel erfahren seit den Wendejahren auch vermehrt eigene regionale Rebsortenzüchtungen immer mehr Aufwind und werden von Jahr zu Jahr besser.
Eine Charakteristik der Geschmäcker fällt mir bei den Weinen aber immer wieder auf: Man scheint es lieber etwas kräftiger, vollmundiger und tendenziell süßlicher im Geschmack zu haben, als man es von westeuropäischen Weinen gewohnt ist. Das spiegelt sich natürlich nicht nur in den Weinen sondern auch in der landestypischen Küche wieder. Auf dem Tisch kommen in der Regel kräftige Suppen mit gekochtem Ei und Speck, dazu Krautsalate und mächtige Fleischgerichte im österreich-ungarischen Stil mit Piroggen, Knödeln oder Kartoffeln als Hauptgang.
Zum Abschluss werden die Gaumen dann meist mit Desserts wie Omas Käsekuchen erfreut um auch noch das letzte Kalorienloch gänzlich auszufüllen. Freunde der herzhaften Küche werden in den Karpaten wohl nicht verhungern müssen. 😉 Wer jedoch eher für die leichte und zeitgenössische Cuisine zu haben ist, für den hält man im Restaurant Magnolie des Dwor Kombornia lockere, moderne Gänge mit hochwertigen und weitestgehend regionalen Zutaten bereit.
Der eigens von einem Kreuzfahrtschiff abgeworbene Chefkoch kreiert zusammen mit seinem Team umwerfende Gerichte, die nicht nur chic aussehen sondern auch richtig „Biss“ haben und den sonst verwöhnten Großstädter noch überraschen. Fleisch ist nicht dein Ding, du bist Veganer oder gar Allergiker? Kein Problem, die Küche zaubert eine schmackhafte Alternative für dich, die mindestens genauso hübsch wie die „normalen“ Gerichte ist.
Selig und zufrieden beziehe ich mein geräumiges Zimmer in der ersten Etage des Herrenhaus des ehemaligen Gutshofes aus dem 17. Jahrhundert. In den Bademantel geschlüpft und die Espresso-Maschine betätigt, fühle ich mich unter dem opulenten Baldachin Tüll des Kingsize Bettes direkt herrschaftlich oder zu mindest wie ein mitteleuropäischer George Clooney. Geruhsam versinke ich ins tiefe Traumland – schließlich will ich für die Entdeckungen der nächsten Tage putzmunter sein.
Auf dem Holzweg? Auf den Spuren der Holzkirchen im Karpatenvorland
Nach einem ausgiebigen Frühstück im Dwor Kombornia machen wir uns zur ersten Station unseres Roadtrip durch die Karpaten auf: Im nicht weit entfernten Haczów (dt. Hanshoff) wartet bereits die für die Region berühmte Holzkirche aus dem UNESCO Weltkulturerbe. Dabei ist das Gotteshaus Mariä Himmelfahrt nicht irgendein alter Bretterverschlag sondern mit ihren 40 Metern Länge die größte gotische Holzkirche Europas und eine der ältesten, von walddeutschen Einwanderern in Blockbauweise errichteten Holzkirchen Polens.
Das Besondere – ursprünglich kam die 1388 errichtete Kirche ohne auch nur einen einzigen eisernen Nagel aus – allein kluge Baukunst und Holzkeile hielten das Jahrhunderte alte Bauwerk zusammen. Heute wird man da im Sinne der Bausicherheit mit einigen verdeckten Verstärkungen nachgeholfen haben, aber das ist recht, immerhin sollen ja die hölzernen Dachschindeln auch nicht beim nächsten Herbststurm hinfort geweht werden.
Während die Holzkirche mit ihrer kleinen Mauer von außen relativ schmucklos und ergraut daher kommt, lässt sich sich von innen umso mehr bestaunen. Wichtig sind nunmal die inneren Werte: Und die prangen in Form von besonders bunten und schmucksamen aber trotzdem nicht überladen wirkenden mehrfarbigen Malereien seit dem Jahr 1494 von den alten hölzernen Decken und Wänden.
Davon das die Kirche nicht immer so prächtig daher kam, wie sie es heute wieder tut, zeugen die Jahre des Kommunismus in denen die Kirche leergeräumt wurde. Mit genügend Zeit im Gepäck kann man hier an einem ruhigen Wochentag stundenlang nach oben starren und immer wieder neue Details in den Figuren, Bildern und den Verzierungen des barocken Altars entdecken. Oder aber man schließt die Augen, atmet den Duft von Weihrauch und Lärchenholz und genießt für einen Moment die Stille. Mit Glück und Glauben wird einem wohl möglich ein Wunder der im neuen Kirchbau nebenan gelegenen Reliquienstatue der heiligen Schmerzensmutter Mariä zu Teil. Für wen das nichts ist, der kann bei Gelegenheit den Ausführungen des römisch-katholischen Priesters lauschen oder derweil einen Spaziergang zu den Ufern des nahen Fluss Wisłok (dt. Weisslok) machen.
Damit aber nicht genug! Denn wir wollen uns auf dem Kleinpolnischen Weg der Holzarchitektur noch die Besichtigung einer weiteren Kirche gönnen. Der Weg führt uns zur etwa eine Stunde entfernten St.-Phillip und Jakobus Kirche in Sękowa. Wie ein Zelt oder langer Mantel zieht sich das ebenfalls mit Holzschindeln gedeckte Dach bis fast zum Boden hinab. Dabei umringt wie es für die Holzkirchen der Region typisch ist, ausgehend vom Eingang am Kirchturm ein Laubengang das „Innere“ Haus.
Früher wurden diese Unterstände vor allem von den Bauern und Pilgerwanderern als Unterschlupf genutzt, wenn diese bereits in der Nacht oder den frühen Morgenstunden aus den umliegenden Gegenden her eintrafen um dem sonntäglichen Gottesdienst bei zu wohnen. Die Kirche in Sękowa wirkt kleiner, intimer und etwas minimalistischer in ihrer Ausstattung im Kirchenschiff. Das liegt wohl nicht zuletzt auch daran, dass die Kirche aus dem Jahr 1520 im ersten Weltkrieg empfindlich beschädigt wurde und in den folgenden Jahrzehnten mühselig restauriert werden musste. Heute schmiegt sich dafür das Ensemble in alter Pracht wieder malerisch umringt von Bäumen und einer kleinen Mauer in die Landschaft am Sękowa Fluss ein.
Natürlich konnten die Menschen in den vergangenen Jahrhunderten nicht nur beten und auf Wohlstand hoffen, sondern mussten hart für ihr tägliches Brot arbeiten. Einen wirtschaftlichen Aufschwung und Reichtum erfuhren die Karpaten in Kleinpolen erst so richtig mit dem Einzug der Teer- und Ölindustrie im 19. Jahrhundert und deren stille Zeitzeugen schaue ich mir jetzt an.
Bei den polnischen Rockefeller – Die Geburtsorte der europäischen Ölindustrie
Es war unter anderem die Erfindung der Petroleumlampe durch den Apotheker und Chemiker Ignacy Łukasiewicz, die seiner Zeit im Jahr den Rausch nach dem „schwarzen Gold“ in den Beskiden rund um die Stadt Gorlice erst so richtig entfachte. Vieler Orts sprudelte das Öl fast von alleine aus tieferen Erdschichten an die Oberfläche. Demnach ist es kaum verwunderlich, dass binnen kürzester Zeit Schächte für die Gewinnung von Rohöl gegraben wurden.
Ein extremes Unterfangen bei dem die grabenden Öl-Kumpel stets der drohenden Gefahr des Erstickungstod ausgesetzt waren und sich mit einfachsten Holzleitungen mit Frischluft versorgen mussten. Schnell folgte die Spezialisierung und Innovation der Förderausrüstung – ab 1854 entstand in Bóbrka bei Krosno Europas erste große Ölförderanlage mit schwerem Gerät.
Wie die Ölgewinnung einst begann und später mit hölzernen Bohrtürmen und mechanisch betriebenen Pumpen vonstatten ging, lässt sich auch heute noch anschaulich im Skansenu Przemysłu Naftowego „Magdalena“ (dt. Ölindustrie Museum „Magdalena“) erleben. Mit etwas Glück schmeißt dann einer Museumsführer nochmal für eine Vorführung den alten Motor an und setzt so die Förderpumpen wie in den alten Zeiten in Bewegung. Ein Schauspiel das jung und alt staunen lässt und unseren Blick dafür schärft wie unsere heutige hochtechnologische Industrie damals ihren Anfang genommen hat und bis heute die Welt prägt.
Umso mehr das Öl zu Tage sprudelte, desto mehr Geld und Macht floss auch den Besitzern und Aktionären der Ölgesellschaften zu. Ein besonders schönes und bis heute erhaltenes Symbol des Wohlstands im 19. und frühen 20. Jahrhundert ist der Pałac Długoszów w Siarach (dt. Długoszów Palast) in Siarach ganz in der Nähe der alten Holzkirche von Sękowa. Über die Jahrhunderte hinweg gaben sich hier die lokalen österreichisch-ungarischen Fürsten und Feldherren die Klinken in die Hand bis der prächtige Palast im Wiener Sezessionsstil um 1900 vom Ölmagnaten Władysław Długosz erworben wurde. Wie um so viele Paläste ranken sich auch um diesen eine Liebesgeschichte:
Die herzzerreißende Geschichte beginnt für Długoszów kurz nach dem er einige schlechte, erfolglose Investitionen in die Suche nach Öl macht und droht bankrott zu gehen. Er wollte unbedingt um die Hand der Tochter des Palastbesitzers Dembowski anhalten. Dieser verwehrte ihm die Hochzeit, da Długoszów aufgrund seiner Finanznot nicht würdig genug für die Tochter war. Getrieben von harter Arbeit und seiner Liebe erklomm Długoszów schnell die hohen Management-Ränge der Ölgesellschaften und wurde reichlich mit seiner Entdeckung der Ölvorkommen in Boryslaw belohnt. Seinen Wohlstand nutze er um den inzwischen selbst seinen in Schulden geratenen Schwiegervater frei zu kaufen und den barockgeschmückten Palast zu übernehmen und die angebetete schlussendlich doch zu heiraten.
Das prächtige Anwesen blieb lange im Besitz der Długoszów Dynastie ehe die Wirren der Kriege und des Kommunismus ihm den Glanz und Prunk nehmen konnten. Heute bedarf der Komplex einiger Restauration und wird sich wohl in den nächsten Jahren zu einem malerisch romantischen Hotel für Hochzeitsfeiern entwickeln – genügend hübsche, traditionelle Holzkirchen sind in der Gegend ja bereits vorhanden. 😉
Von der Opulenz des Palastes konnte der russinische Volksstamm der Lemken in den Karpaten von Südpolen und der Nordöstlichen Slowakei nur im Entferntesten träumen. Ihr Leben als Viehzüchter, Händler oder Forstarbeiter war geprägt von schwerer körperlicher Arbeit, religiösem Leben und einem Lohn der gerade so zum Überleben reicht. Die wirtschaftliche Wende kam mit dem steigenden Bedarf an Schmierfetten und Teerprodukten in den Städten Mitteleuropas.
Mit randvoll beladenen Pferdekarren zogen die Männer und ihre 14 jährigen Söhne los um das „schwarze Gold“ und den in den Wäldern selbst produzierten, rauchig riechenden Teer bis in deutsche oder französische Lande zu verkaufen. War alles verkauft, kehrten die Männer nach langen Monaten der Reise wieder in ihre Heimatsiedlungen zurück und konnte so das Leben der zurückgebliebenen Frauen und Kinder finanzieren, ehe es sie wieder fort zog. Zwar konnten sich die handelnden Lemkenfamilien keine Paläste leisten, aber dafür wunderschöne, aufwendig bestickte Trachtenkleider und Schmuck, der den ärmeren Familien verwehrt blieb. Diese Kleider und eine Vielzahl an Werkzeugen und Relikten der Teermanufakturen lassen sich im Zagroda Maziarska Museum bestaunen und erforschen.
Die rauschende Fahrt auf dem Fluss osteuropäischer Traditionen in den Pieninen
Mein Karpaten Roadtrip führt mich weiter über Hügel und Täler in die Slowakei. Auf den saftig grünen Hängen grasen friedlich die Schafherden und in den Lüften schweben die Falken und Schrauben sich in die Höhen. Man fühlt sich fast ein wenig wie in Schottland, nur fehlt zu dieser Jahreszeit das klamme feuchtkalte Wetter um dieser Stimmung wirklich gerecht zu werden.
Der goldene Herbst präsentiert sich von seiner besten Seite und lädt mich im slowakischen Červený Kláštor (dt. Niederschwaben) nur einen Steinwurf von der polnischen Grenze entfernt zu einer lustigen Floßfahrt auf dem Dunajec ein. Über viele Generationen hinweg betrieben hier die Goralen (vom polnischen Wort „góra“ für „Berg“), eine westslawische Ethnie, die Zunft der Forstarbeit und des Flößens.
Früher wurden die gesägten Baumstämme mit festen Seilen zusammen vertäut und flussabwärts in die Städte, teils bis an die Ostseeküste getrieben und verkauft. Dabei mussten die Flößer stets vor den großen Gefahren des Flusses, wie Stromschnellen, Fluten oder im Wasser verborgenen Steinen auf der Hut sein. Heute haben sie es da etwas leichter und transportieren mit ihren verbundenen Kähnen auf dem Dunajec nur noch gemütliche Touristen durch den 8 Kilometer langen Canyon des Pieninengebirges.
Ihre Traditionen und Folklore pflegen die Goralen aber dennoch. Oder besser gesagt genau deshalb? Aufgefallen sind mir jedenfalls die dünnen strahlend blauen Westen der Flößer, die farbenfroh in allerlei traditionellen Mustern bestickt sind. Was braucht der Flößer noch? Einen Filzhut mit Muschelband und Feder sowie den obligatorischen Holzstab zum Steuern des Floßes. Die Anzahl der Muscheln verraten übrigens traditionell, wie oft der Flößer bereits bis hoch zur Ostsee gereist ist oder aber, wie viele Frauen er bereits hatte. Je nachdem was häufiger zutrifft. 😉
Die Fahrt durch die Pieninenschluchten des Dunajec ist atemberaubend – links und rechts des Ufers türmen sich dichte Wälder hoch auf und werden nur vom strahlenden Kalkstein der alles überragenden Felswände übertrumpft. Die Pieninen nordöstlich der Hohen Tatra sind dabei ein Paradies für Flora und Fauna. Unzählige Tier- und Pflanzensorten, einige davon sogar endemisch, können hier im Nationalpark weitgehend ungestört von menschlichen Einflüssen gedeihen.
Wer lieber aktiv ist, als sich nur beschaulich dahin schippern zu lassen, dem sei das Mittelgebirge auch zu ausgedehnten Wanderungen auf den Spuren der Goralen zu empfehlen. Wer weiß, vielleicht habt ihr ja sogar Glück und entdeckt einen der scheuen Luchse die hier anmutig durch die Wälder schleichen. Ein wachsames Auge sollte man aber gegebenenfalls trotzdem bei Spuren von Großräubern wie Wolf und Braunbären haben, dir verirren sich nämlich gelegentlich aus der Hohen Tatra in die Berge am Dunajec.
Nach der Wanderung oder der Floßfahrt empfiehlt es sich in der Chata Pieniny abzusteigen und dort die Nacht zu verbringen um sich dann beim Folklore-Abend zum Ehren-Goralen taufen zulassen. Neben der euphorischen Musik der Band gehört natürlich ein bisschen Schabernack dazu, ehe man richtiger Ehren-Gorale wird. Es gilt sich ein paar sanfte Schläger auf das Hinterteil mit dem kurzen Bootshaken abzuholen und dann gemeinsam von einem langen Brett die hausgemachten Schnäpse zu schlürfen. Na zdrowie & Prost!
Die gute Freundschaft will dann natürlich noch mit einigen weiteren hausgemachten Schnäpsen vom Brett und anschließend Büffelgras Vodka betrunken und gefeiert werden. Dabei ist mein Eindruck, dass man das Herz und den Respekt der Einheimischen am schnellsten gewinnt wenn man Abends gut durchhält und am nächsten Tag trotzdem fröhlich und putzmunter am Frühstückstisch erscheint oder sich den flauen Magen zumindest nicht anmerken lässt. 😉
Spišský hrad – Hautnah die mittelalterliche Geschichte der Karpaten auf der Zipser Burg erleben
Wer von den Schnäpsen und den langen Abenden der Goralen nicht bezwungen wurde, der sollte unbedingt nach Spišské Podhradie (dt. Kirchdrauf) fahren und die nahe gelegene Burganlage Spišský hrad, die Zipser Burg aus dem UNESCO Weltkulturerbe, erleben. Hier vereinen sich die mystische Natur, lokale Traditionen und Jahrhunderte alte Geschichte an einem einzigartigen Ort. Hoch oben auf einem 200 Meter hohen Dolomitfelssockel thront die Burg erhaben über das Spiš Tal und lässt einen jeden Besucher unmittelbar in der Zeit zurück reisen.
Von den Mauern und Türmen der Burg lässt sich bei klarem Wetter bis zu den Bergen der Hohen Tatra blicken und man kann erahnen wie es gewesen sein muss, als im Jahr 1241 die mongolischen Tartarenvölker in den Karpaten einrückten und zum Teil bis nach Brandenburg vorstießen.
Spišský hrad hielt damals den Belagerungen stand und versprüht heute richtiges Filmfeeling: zwar wurde in der Burg eigenartiger Weise nicht Game of Thrones gedreht, dafür allerdings unzählige andere erfolgreiche Hollywood Produktionen wie Dragonheart oder The Last Legion. Das die Burg seit jeher Schauplatz für spannende Geschichten ist, beweist die Legende der Tartaren Prinzessin Shaat:
Als die mongolischen Tartarenarmeen im 13, Jahrhundert durch die Karpaten in Richtung Westen vorrückten, entschieden sie auch die Spiš Burg zu unterwerfen und einzunehmen. Die Tartaren versteckten sich in den dichten Wäldern des Spiš Tals und suchten unentwegt nach Schwachstellen um die Festung einzunehmen. Doch gab es derlei nur eine: die Wasserversorgung. Die Festung mit ihren dicken Mauern ist zwar bestens gegen allerlei Angriffe von außen geschützt, aber auch auf so festem Gestein errichtet, dass es unmöglich ist einen tiefen Brunnen für die Versorgung der Bevölkerung zu graben. Es blieb auf ausreichend Regen als Frischwasserquelle zu hoffen, doch der König der Zipser Burg wollte derweil nicht so lange warten und den Tartaren in die Hände spielen. So entschied er sich einen Trupp Soldaten in die Wälder zu schicken um die Tartarenprinzessin Shaat zu rauben und einen Handel zu erzwingen: der König und der Tartaren Herrscher waren sich einig im Tausch gegen die Prinzessin einen Rückzug zu vereinbaren. Doch auch hier sollte die Liebe das Blatt wenden. Die schöne Tartarenprinzessin und der Sohn des Zipser Königs verliebten sich und wollten heiraten. Am Tag gab es ein großes Fest, tartarische Soldaten infiltrierten die Vermählung und schossen der Prinzessin Shaat aus Rache für ihren Verrät mitten ins Herz. Ein bitteres Hochzeitsgeschenk des mongolischen Vaters.
Ein Meer aus Sternen – Stargazing im slowakischen Poloniny-Národný Nationalpark
In Snina bei Humenné nur wenige Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt bietet sich all abendlich ein ganz besonderes Schauspiel – einen klaren Himmel natürlich voraus gesetzt. Hier im Poloniny-Národný Nationalpark finden wir in Mitten wunderschöner Natur einen der besten Orte Europas um fremde Planeten, Sterne und tausende Lichtjahre entfernte Galaxien zu beobachten.
Astronomische Neulinge sollten sich zu einer der Vorführungen in der Außenstelle des Vihorlat Astronomical Observatory anmelden und sich vom Sternenhimmel verzaubern lassen. Wer gut auf passt, kann bei den Präsentationen der Stationsmitarbeiter auch noch einige Tipps für die nächtliche Navigation bei Wanderschaften erlernen. Die Position und den Verlauf von Himmelsobjekten und Gestirnen, wie den Planten, Sternbildern und Satelliten kann euch nämlich auch dabei helfen eure eigene Orientierung im Notfall richtig auszurichten.
Bei gutem Wetter lassen sich hier aufgrund der äußerst geringen Lichtverschmutzung auch besonders gut Sternschnuppen, also kleine zur Erde fallende und dabei verglühende Meteoriten, beobachten. Erfahrene Outdoorliebhaber können den Nationalpark auch auf eigene Faust erkunden, sollten sich aber mit Vorsicht und Respekt durch die Natur begeben. Europa beginnt hier wieder wilder zu werden: Bisons werden seit einigen Jahren erfolgreich angesiedelt und Großraubtiere erobern sich von Osten kommend ihre Landschaften mehr und mehr zurück.
Mit der Waldbahn durch die Beskiden
„Shooo!“ – langsam setzen sich die offenen Waggons hinter der dieselgetriebenen Lok in Bewegung. Eine Mischung aus Waldluft und süßlichen Abgasen umwindet meine Nase und der Zug ruckelt im Takt der Schienenstöße sachte vor sich hin. Bester Ausgangsort für eine solche Rauschefahrt ist die Strecke zwischen dem polnischen Przyslup und Majdan, nördlich der Grenze zur Slowakei. Wer jetzt denkt von Humenné aus ist das doch nur ein Katzensprung, der irrt. Durch die dichten unzugänglichen Wälder im Nationalpark entlang der Grenze führen kaum befahrbare Straßen. Umso besser für die Natur, wie ich finde und so machen wir erstmal einen großen Schlenker um nach zwei Stunden die Bahn in Polen zu erreichen.
Die Ostbeskiden-Waldbahn aus dem späten 19. Jahrhundert ist in der Region um Majdan eine der größten touristischen Attraktionen und diente in der Vergangenheit zum Transport von Holz aus den Forstgebieten sowie dem der Bevölkerung der Dörfer und Kleinstädte. Besonders rührend empfand ich die Strahlkraft der älteren Bevölkerung auf dieser etwa einstündigen Zugfahrt. Es wirkte, als wären sie wieder jung wie sie, voller Freude mit den Armen einander untergehakt, die Volkslieder ihrer Kindheit- und Jugend anstimmten. Auch wenn ich leider ihre Lieder nicht verstand, so wird mir dennoch dieses unglaublich heimatliche Gefühl lange in Erinnerung bleiben.
Bahn frei! Volle Fahrt voraus mit der Fahrraddraisine in Uherce Mineralne
Während mir die Melodien der polnischen Senioren und das Rattern des Zuges noch sanft in den Ohren liegen, geht es nach einem kräftigen Mittag in Cisna wieder weiter zurück ins Karpatenvorland. Die letzte Station meines Roadtrips naht und verlangt nach den Tagen deftiger Vollkost noch einmal etwas körperliche Ausdauer.
In Uherce Mineralne sattle ich zusammen mit meiner Roadtrip Truppe die Fahrrad Draisinen und trete in die Pedale. Was wie leichtes Bike aussieht geht ganz schön in die Beine wenn Mann erstmal die ein oder zwei Anstiege auf der Strecke nach Olszanica überwunden hat. Gut ist es da wenn man zwischen durch tauschen kann und die Aussicht von der Rückbank genießt. Über circa 50 Kilometer Schiene verfügt die Bieszczadzkie Drezyny Rowerowe, die eigens von Gründer Stacja Główna von der polnischen Bahn gepachtet wird, um allen Natur und Draisinen Begeisterten die Ruhe und Schönheit der Beskiden in Kleinpolen zu zeigen. Ich habe die Draisinenfahrt sehr genossen und konnte bereits hier die ersten Pfunde der deftigen polnischen Kost wieder abstrampeln – ein wundervoller Abschluss für meinen Roadtrip durch die Karpaten.
Habt ihr Fragen zu meinen Karpaten Roadtrip? Braucht ihr einen Tipp oder habt selbst Empfehlungen für die Region? Dann lasst mir einen Kommentar da. – Florian