Auf dem Schnalstaler Gletscher hat Anni nicht nur den Schneeschuh geschwungen, sondern auch eine Eishöhle bestaunt und auf der Schutzhütte Schöne Aussicht ein Knödeldesgustationsmenü geschmaust. Was das alles mit Höhenkrankheit zu tun hat und warum man nicht unter allen Umständen eine Viertelstunde in der höchsten Sauna Europas sitzen sollte, das erfahrt ihr jetzt!
Kurvig geht es mit dem Auto die Straßen von Lana herauf in Richtung der Bergstation Kurzras. Ich steige aus, strecke mich und sehe vorfreudige Menschen in Richtung des Seilbahneingangs laufen. Hier gehts also hoch zum Schnalstaler Gletscher – auf insgesamt 3212 Meter. So hoch war ich bisher tatsächlich noch nie. Etwas worüber ich mir im Übrigen zu diesem Zeitpunkt noch keine Gedanken machte – oh wie sich das einige Stunden später ändern würde!
Oben angekommen nimmt sich unser Guide Robert Zeit die Gruppe willkommen zu heißen. Er erzählt uns etwas zur Geschichte des Ötzi, dessen Fund die Region touristisch stark geprägt hat und verrät uns, dass wir eine etwa zweistündige Wanderung zur Schutzhütte Schöne Aussicht vor uns haben.
Los geht’s ins Flockengestöber und ich freue mich wie ein Schneehuhn darauf, denn ich bin schon einmal vorher mit Schneeschuhen gewandert und habe es sehr genossen. Mit meinem 6 Kilo schweren Rucksack, der meine Fotoausrüstung, Wasser und Wechselsachen für die Hütte enthält, merke ich schon nach kurzer Zeit, dass ich das schneidige Tempo der anderen nicht werde mithalten können. Franzi, deren Südtiroler Herz stets für gute Laune sorgt, bleibt bei mir und ich halte mich ran, um stets wieder zur Gruppe aufzuschließen.
Immer wieder möchte ich stehen bleiben um einfach nur das unendliche Weiß der Landschaft zu genießen. Ich glaube, so viel ungetrübtes weiß habe ich tatsächlich noch nie auf einmal gesehen. Es wirkt sich auf den geist so beruhigend aus, wie eine lange Meditation. Kaum etwas müssen die Augen verarbeiten. Nur Schönheit, Stille und ein paar kleine Menschen, die ihre Spuren durch den Schnee ziehen.
Die erste Pause naht. Als ich meinen Rucksack abwerfe und Robert begeistert in die Höhle, deren Eingang im Schnee verborgen liegt, folge, finde ich mich begeistert von den Wundern der Natur in einem Hohlraum wieder. Eis und Fels verschmelzen ineinander und die Windstille hier unten lässt alles einige Grad wärmer erscheinen.
Wieder draußen lasse ich mich in den Schnee fallen – das muss ja auch mal sein” Ich bin froh um meine vielen übereinander gezogenen Schichten Kleidung, in denen ich mich zwischendurch wie ein kleines Michelinmännchen fühle. Ich schultere nach dieser kurzen Pause erneut meinen Rucksack und laufe weiter.
“Wir gehen jetzt über einen See,” sagt Robert – doch ich sehe nur weiß, weiß und noch mehr weiß. Ich bin froh um die begleitete Tour, denn allein traute ich mir durchaus zu mich hier zu verlaufen. Meine Schritte werden schwerer und immer mehr frage ich mich, warum eigentlich? Es geht kaum bergauf. Das Tempo ist mit Rucksack zwar zügig, aber okay. Und doch fällt mir das Atmen schwer und ich stütze mich immer wieder zum Ausruhen auf meine Stöcke.
Der letzte Anstieg zur Hütte wird plötzlich zur Kraftprobe. Franzi bietet an meinen Rucksack zu nehmen. Doch ich lehne ab. Wie soll ich euch hier berichten, wie es mir erging, wenn ich zwischendurch aufgebe, nur weil es mal schwer wird? Nein, das will ich nicht. Schritt für Schritt stapfen ich und meine Schneeschuhe die Skipiste hinauf zum Schutzhaus Schöne Aussicht.
Und plötzlich bin ich da! Muttis Mütze aus Kindertagen wärmt meinen Kopf, kalter Wind färbt mir die Wangen rot und weiße Schneewehen lassen meine Augen glänzen. Schöne Aussicht, danke, dass du mich empfängst!
In der Hütte angekommen wird mein Gefühl schlagartig etwas besser. Ein Knödeldegustationsmenü wartet auf mich – lecker, doch viel zu mächtig. Auf der Schutzhütte Schöne Aussicht verhungert niemand, da könnt ihr sicher sein! 😉 Doch mit leckerem traditionellen Südtiroler Essen ist es hier oben noch nicht getan – sogar eine eigene Naturkosmetik-Linie mit Gletschersand & – wasser hat der Wirt sich einfallen lassen. Ich finde es herrlich erfrischend neben dem vielen berliner Gerede von coolen Businesses, die jemand „grade plant“, hier in Südtirol einfach immer wieder Leute zu treffen, die nicht reden, sondern machen.
Die anderen verabschieden sich und ich bleibe mit Laura aus der Wandergruppe oben auf der Hütte. Unser Schlafplatz für heute nacht ist jedoch nicht etwa eines der kuscheligen weiß-rot kariert bezogenen Hüttenbetten. Nein, auf uns wartet stattdessen ein waschechtes – und echt kaltes – Iglu zum nächtigen!
Schlafen bei nur wenigen Graden auf dem Thermometer? Na da geh ich lieber noch mal in die höchste Außensauna Europas – so dachte ich mir das. Und genau hier lag vermutlich mein größter Fehler. Geschwächt von der Höhenluft, die mir die Scheeschuhtour bereits erschwert hatte, war die Viertelstunde in der finnischen Sauna für meinen Kreislauf einfach zu viel.
Kopfschmerzen und Übelkeit wurden zu unangenehmen Begleitern meines Abends und hielten mich die Nacht im Iglu im Griff. Kalt ist es übrigens außer für eure Nasen im Iglu nicht und mit einem Partner wäre das ganze sogar richtig romantisch! Dicke, miteinander verbundene Schlafsäcke warten des Nachts auf euch und wir wissen ja alle – kuscheln hält warm!
Die Nacht wird für mich unendlich. Während Laura friedlich schlummert liege ich wach. Eiskalte Luft strömt durch meine Nase, kleine Eiszapfen hängen an meinem Pony und wenn ich nicht solche Kopfschmerzen hätte, würde ich wohl alternativ vor Freude nicht schlafen können, denn es ist schon ganz schön faszinierend einmal in einem Iglu zu nächtigen. So jedoch, verbringe ich meine Zeit mit Schneehühner zählen, atmen, nachdenken und in die Dunkelheit starren, denn wegen der Kälte habe ich kein Handy mit hier hinein genommen, mit dem ich Musik hören könnte.
Auch am nächsten Morgen liegt der Kopfschmerz schwer wie Blei auf mir. Ich trinke Wasser und Tee, versuche mich an einem Brötchen, doch die Übelkeit sagt nein dazu. Als es hinab geht, fühle ich mich schuldig. Diese wunderschöne Hütte, dieses unendliche Weiß! Und all das konnte ich nicht richtig genießen, nur weil mein Körper anscheinend eine kleine Höhen-Mimose ist? Aber, ganz ehrlich, was nützt es sich zu ärgern… Jede Geschichte ist eine gute Geschichte, wenn sie von Herzen erzählt wird. Ich habe hier auf dem Schnalstaler Gleicher etwas Neues über mich gelernt und werde mir beim nächsten Mal mehr Zeit geben, mich an die Höhe zu gewöhnen.
Der Lift mit dem wir eigentlich zurück wollten, hat aufgrund eines Schneesturms geschlossen und so haben wir das unendliche Glück mit dem Schneemobil ein gutes Stück bergab gebracht zu werden. Was für ein Abenteuer zum Schluss, bei dem ich jedoch die Kamera im Rucksack lasse um sie vor dem Schnee zu schützen! Die Freude über die Geschwindigkeit des Schneemobils und die Erleichterung, die Kopfschmerzen langsam schwinden zu spüren, mischen sich mit tiefen Atemzügen. Als die Fahrt endet sehe ich mich um und freue mich ein letztes Mal ganz still an dem unendlichen weiß der Gegend.
Die letzte halbe Stunde liegt in Form einer steilen Piste vor uns und meine gute Laune gewinnt endlich wieder die Oberhand. Halb stolpernd, halb auf dem Po rutschend nähern wir uns der Talstation und ich weiß – wenn ich das nächste Mal ins Schnalstal komme, dann nehme ich mir in ruhe Zeit mich vorher mit der Höhe zu akklimatisieren um alles wirklich genießen zu können.
Unsere Schneeschuhwanderung in Lappland mit Outdoor Experte & Wildnis Guide Johannes Kormann
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